Golf Ziemlich beste Nachbarn

Haan · Beim Club Haan-Düsseltal bekommen Schüler der Hans-Helmich-Förderschule Golfunterricht.

 Trainer Vlad Hoyd, den seine Schützlinge alle nur liebevoll "Mister Vlad" nennen, kümmert sich um Joshua und Tobias. Letzterer gewinnt wie im Vorjahr das Turnier.

Trainer Vlad Hoyd, den seine Schützlinge alle nur liebevoll "Mister Vlad" nennen, kümmert sich um Joshua und Tobias. Letzterer gewinnt wie im Vorjahr das Turnier.

Foto: Olaf Staschik

Mahnend legt Tobias den Zeigefinger auf seine Lippen. "Nicht sprechen jetzt. Ich brauche Konzentration", sagt er. Er holt leichten Schwung, trifft den kleinen, weißen Ball, der langsam in Richtung Loch rollt - und das Ziel um Millimeter verfehlt. Tobias kann es nicht fassen. Es bleibt beim Kopf-an-Kopf-Rennen mit Joshua, seinem stärksten Konkurrenten. Nur einen Schlag liegt der hinter ihm.

Tobias und Joshua sind zwei der sieben Jugendlichen, die an diesem Nachmittag auf der weitläufigen Anlage des Golfclubs Haan-Düsseltal stehen. Sie kämpfen um den ersten Platz des Winter-Turniers der Hans-Helmich-Schule, einer Förderschule der Evangelischen Stiftung Hephata. Die Jungen und Mädchen, alle zwischen 14 und 16 Jahre alt, haben eine geistige Behinderung, einige von ihnen zeigen eine Störung aus dem Autismus-Spektrum oder sind in ihrer mentalen Entwicklung eingeschränkt. Auf dem Golfplatz aber sind sie Naturtalente.

Das jedenfalls sagt Mister Vlad. Der Mann, der Schnurrbart zur dunklen Mütze trägt und mit seiner Statur so wirkt, als könne er die Dellen eigenhändig in die Golfbälle drücken, ist der Golftrainer der Jugendlichen. Sein eigentlicher Name ist Vlad Hoyt, er ist seit 2000 professioneller Übungsleiter in Haan. Zehnmal in der Saison aber gibt er auch den Schülern der Hans-Helmich-Schule Unterricht im Abschlagen und Putten. Von ihnen hat der gebürtige New Yorker, der die jungen Golfer immer wieder mit sympathisch-amerikanischem Akzent lobt und antreibt, auch seinen Spitznamen. "Man sieht jedes Jahr Fortschritte", sagt Mister Vlad.

Dass die Jugendlichen überhaupt in den Genuss der Trainerstunden kommen, verdanken sie einer außergewöhnlichen Nachbarschaft und einem zufälligen Treffen. "Christian Clausen, der Ehrenpräsident des Vereins, traf vor drei Jahren eine meiner Kolleginnen und zwei Kinder beim Spazieren auf der Anlage", sagt Schulleiterin Martina von Hagke-Kox. In diesem Moment sei die Idee der Zusammenarbeit von Förderschule und Golfclub entstanden.

Seitdem hat sich einiges getan. "Aus der Nachbarschaft ist inzwischen eine Freundschaft geworden", sagt Hagke-Kox. Mit Spenden hilft der Verein der Schule, die mit dem Geld etwa Klassenfahrten oder notwendige Anschaffungen stemmen kann. "Zuletzt wurde so möglich, ein Kettcar für die Kinder zu besorgen", sagt die Schulleiterin. Für sie ist die Partnerschaft ein gelungenes Beispiel für gelebte Inklusion. Oft werde über dieses Thema gesprochen, aber häufig gehe die Umsetzung nicht tief genug. "Hier kann man sie spüren", sagt sie. "Das ist eine Freundschaft auf Augenhöhe."

Auch für Christian Clausen ist die Beziehung zur Förderschule eine ganz besondere. "Die Schüler liegen uns sehr am Herzen", sagt er. So sehr, dass sie auch dank des Golfclubs im kommenden Jahr sozusagen zu Olympia-Teilnehmern werden. "Ein paar der Schüler werden beim Landeswettbewerb der Special Olympics in Neuss antreten". Zur Vorbereitung auf den Wettbewerb erhalten die Schüler deshalb im Frühjahr nächsten Jahres zusätzlichen Unterricht auf der Anlage des Golfclubs.

Einer, der dort gute Chancen auf einen Erfolg hat, ist Tobias. Der 14Jährige gehört zu den besten Golfern unter den sieben Jugendlichen. "Es ist eindrucksvoll, wenn man den Unterschied in seinem Verhalten in der Schule und auf dem Golfplatz sieht", sagt Peter Bentlage, stellvertretender Leiter der Förderschule. Während er in der Schule oft unruhig sei, wirke er beim Golfen gelassener. "Er und die anderen halten sich hervorragend an die Golfplatz-Etikette", sagt Bentlage.

Bevor es zur abschließenden Weihnachtsfeier im Clubhaus geht, kommt es indes am letzten Loch zum entscheidenden Schlag. Tobias setzt an, holt aus - und versenkt den Ball mit dem zweiten Versuch. Das reicht ihm, um am Ende vor Joshua auf dem ersten Platz zu landen. "Ich habe viel trainiert", sagt Tobias. Die vielen Übungsstunden scheinen sich auszuzahlen. Schon im letzten Jahr hat er das Turnier gewonnen.

(tsp)
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