Mettmann Vom Metzgersohn zum Serienmörder

Mettmann · Der Fall Jürgen Bartsch: Vor 50 Jahren lockte Jürgen Bartsch fünf Jungen in einen Langenberger Bunker. Der 14-jährige Peter Freese konnte sich befreien und sorgte so für das Ende einer Serie von Missbrauch und Mord

 Die Adoptiveltern von Jürgen Bartsch besaßen eine Metzgerei. Bis er in die Schule kam, wurde der Junge völlig isoliert in einem Kellerraum mit vergitterten Fenstern und bei Kunstlicht eingesperrt.

Die Adoptiveltern von Jürgen Bartsch besaßen eine Metzgerei. Bis er in die Schule kam, wurde der Junge völlig isoliert in einem Kellerraum mit vergitterten Fenstern und bei Kunstlicht eingesperrt.

Foto: Nicolette Bohn "Anwalt des Teufels: Der Fall Jürgen Bartsch", Militzke Verlag

Als es an der Tür klingelte, hatten es sich die Bewohner des Hauses an der Velberter Heegerstraße 34 gerade auf der Couch gemütlich gemacht. Über die Mattscheibe flimmerte Kulenkampffs "Einer wird gewinnen", als der bis dahin beschauliche Samstagabend eine ungeahnte Wendung nehmen sollte.

 Bartsch bekannte sich zu seinen Taten. Am 27. November 1967 begann der Prozess vor dem Landgericht Wuppertal. Das Gericht hatte eine schwierige Frage zu klären: Wohin mit dem Serienmörder? Gefängnis oder Heilanstalt?

Bartsch bekannte sich zu seinen Taten. Am 27. November 1967 begann der Prozess vor dem Landgericht Wuppertal. Das Gericht hatte eine schwierige Frage zu klären: Wohin mit dem Serienmörder? Gefängnis oder Heilanstalt?

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Der unerwartete Besucher versetzte alle Beteiligten in helle Aufregung und sorgte dafür, dass eine bis dahin nicht geahnte Mordserie ihr Ende nehmen sollte. Völlig verstört, mit nacktem Oberkörper und hinter dem Rücken gefesselten Händen stand ein etwa 14jähriger Jugendlicher in der Wohnung, um dort eine zunächst völlig unglaubhafte Geschichte zu erzählen.

Nachdem mittlerweile auch die Polizei eingetroffen war, schilderte er den Beamten, was sich an diesem 18. Juni 1966 zugetragen haben soll. Er sei nachmittags in Wuppertal auf seinen späteren Peiniger getroffen und habe sich von ihm in einer Kneipe mit Saft aushalten lassen. Ob er mithelfen wolle, einen Schatz zu bergen, habe der ihn gefragt. Gemeinsam sei man mit einem Taxi nach Langenberg gefahren, um dort in einen alten Luftschutzbunker zu kriechen. Im Stollen angekommen, überwältigte der Metzgergeselle Jürgen Bartsch sein Opfer und verging sich an ihm. Dann schlug Bartsch den 14jährigen Peter Freese bewusstlos und fesselte Füße und Hände, um pünktlich zum Abendessen bei seinen Adoptiveltern zu sein. Auch dort wurde Kulenkampff geguckt, wie es sich eben so gehört für einen Samstagabend. Peter Freese hingegen war allein in der Höhle zurückgeblieben und konnte sich von den Fußfesseln befreien. Schwer traumatisiert schleppte er sich zum nächsten Haus.

 In dem ehemaligen Bunker suchten die Ermittler nach Spuren der Verbrechen.

In dem ehemaligen Bunker suchten die Ermittler nach Spuren der Verbrechen.

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Da man dem verstörten Opfer zunächst nicht glauben wollte, inspizierten die Velberter Polizisten erst einen Tag später den mutmaßlichen Ort des Verbrechens. Was sie dort entdeckten, ließ auch hartgesottene Kriminalisten erschaudern. Menschliche Finger, Knochen, Kinderschuhe und auf den vermoderten Balken liegende Leichenteile riefen umgehend die Mordkommission auf den Plan. Schon Peter Freese hatte bei seiner Vernehmung geschildert, dass es in besagter Höhle nach verwesendem Fleisch gerochen habe. Die Überreste von drei Leichen und ein weiteres, bereits vergrabenes und skelettiertes Opfer lagen nur wenige Tage später auf dem Obduktionstisch der Düsseldorfer Rechtsmedizin. Die vier bis dahin als vermisst geltenden Jungen waren von Bartsch zerlegt worden, lebend oder tot. Der damals 19jährige Jürgen Bartsch, der bis dahin ein offenbar unscheinbares Leben geführt hatte, wurde als der seit langem gesuchte "Kirmesmörder" identifiziert. Schon vorher hatten Zeugen berichtet, dass einige der Opfer vor ihrem Verschwinden auf der Kirmes gewesen sein sollen und dort von einem Fremden angesprochen worden waren.

Bartsch selbst war es bis dahin offenbar gelungen, seine perversen Neigungen im Verborgenen zu halten. Nur einmal hatte ihn der Vater eines Freundes angezeigt, weil es zu sexuellen Übergriffen auf den Sohn gekommen sein soll. Bei der Polizei hatte man der Angelegenheit keine besondere Bedeutung beigemessen und das ganze als jugendliche Balgerei abgetan.

Derweilen versuchte sich Bartsch in der Zauberei. Die Angehörigen des "Magischen Zirkels Essen" priesen ihr jüngstes Mitglied als "einen Zauber-Enthusiasten, der stets fleißig geübt hat." So gab es zumindest der damalige Zirkelvorsitzende Klaus Laengner später zu Protokoll. Auch die Mitglieder des Langenberger Sparklubs "Fleißige Bienen" hatten den Inhaber des Sparfachs mit der Nummer 21 bis dahin als spendablen Gesellschafter geschätzt, der "manchmal mit dem Geld nur so um sich schmiss". Seine letzte Zaubervorstellung gab Bartsch nur wenige Tage bevor er sein viertes Opfer, den elf Jahre alten Manfred Grassmann, von der Essener Kirmes in die Velberter Höhle lockte.

Jürgen Bartsch, so wird es später in den Akten der Staatsanwaltschaft stehen, tötete aus "übersteigerter sexueller Erregung". Er war 15, als er sein erstes Opfer traf. Nach seiner Verhaftung vier Jahre später hatte das Gericht eine schwierige Frage zu klären: Wohin mit dem Serienmörder? Ins Gefängnis oder in eine Heilanstalt? Wer würde ihn überhaupt aufnehmen und wie sollte er vor den Mitinsassen geschützt werden?

Im Juni 1966 landet die Akte auf dem Tisch von Dietrich Wilke. Der Mettmanner Jugendgerichtshelfer soll Jürgen Bartsch begutachten.

Teil 2: "Anwalt des Teufels..." folgt in der nächsten Woche.

(magu)
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