Interview: Serie Macher-Typen Von Beruf ist er einfach nur Mensch

Mettmann · Peter Hesse, Unternehmer und ehrenamtlicher Entwicklungshelfer, lässt sich nicht aufhalten, wenn er von einer Sache überzeugt ist. Sein kritischer Geist begleitet ihn seit seiner Jugendzeit.

 In seinem Brief bittet Peter Hesse (CDU-Mitglied) Bundeskanzlerin Merkel um Korrektur der CDU-Position zum Transatlantischen Freihandelsabkommen. Er fürchtet, dass Bürger, Städte und Mittelstand entmündigt werden.

In seinem Brief bittet Peter Hesse (CDU-Mitglied) Bundeskanzlerin Merkel um Korrektur der CDU-Position zum Transatlantischen Freihandelsabkommen. Er fürchtet, dass Bürger, Städte und Mittelstand entmündigt werden.

Foto: Bernd Schaller

"DENNOCH". Das ist das einzige Wort, das Peter Hesse (77) immer groß schreibt. Vom ersten bis zum letzten Buchstaben. Man mag sich fragen, warum er das tut. Hört man ihm aufmerksam zu, klingt zwischen den Zeilen die Antwort durch. Und man weiß auch, dass sie nicht mal eben in drei Sätzen erklärt ist. Dennoch - das ist für Peter Hesse eine Lebenseinstellung. Umfallen und wieder aufstehen. Scheitern und trotzdem nicht aufgeben. Eine Vision haben, daran glauben und sie irgendwann Realität werden lassen. All das hat der Mitinhaber der Firma H. Schmincke & Co gelebt.

Schon zu Jugendzeiten meldete sich sein unruhiger und kritischer Geist. "Das Aufwachen in die Realität kam mit der Pubertät. Danach ist die Suche nach Veränderungen zu einer Leidenschaft geworden", sagt er im Rückblick. Der Weg in den Familienbetrieb schien vorgezeichnet, obwohl Peter Hesse gern Kunst studiert hätte. Das konnte sich wiederum der Vater für den einzigen Sohn nicht vorstellen. Schon während des BWL-Studiums erschien dem allerdings vieles als unsinnig, zu wenig auf den Menschen bezogen. Hesse begehrte auf, versammelte Gleichgesinnte um sich, wollte mehr und anders lernen. In Managerseminaren, die er irgendwann selbst leitete, konnte er einiges davon umsetzen.

Beruf, Familie, Kinder: Lebensentwürfe haben oft eine gleichmäßige Struktur und bieten Halt und Sicherheit. Für Peter Hesse war all das lange Zeit undenkbar. "Ich habe als Junggeselle ein Lotterleben geführt, ohne wirkliche Bindung", erinnert er sich. Manches davon würde er heute anders machen. Lernen wurde für ihn irgendwann zu seiner zweiten Leidenschaft, neben der Veränderung. Beides gemeinsam wurde zur Herausforderung. Wer immer wieder alles in Frage stellt und auf alles Stetige verzichtet, muss sich ständig neu orientieren. Was andere ängstigt, ist für ihn Lebensphilosophie.

Wird er nach seinem Beruf gefragt, schreibt er in die dafür vorgesehene Spalte gern "Mensch". Peter Hesse macht kein Geheimnis daraus, dass auch er oft besorgt und zornig über den Zustand unserer Welt war und immer noch ist. "Aber man darf sich davon nicht lähmen lassen", sagt er.

Er selbst folgt seit langem einer inneren Führung, wie er seine innere Stimme nennt. Er hat gelernt, ihr zuzuhören. Sie hat ihn irgendwann nach Haiti, und dort mit den Bewohnern eines Bergdorfes unter einen großen Baum geführt. Davor hatte er es schon mit Managerkursen als Entwicklungshilfe versucht, nachdem er eigentlich auf die Insel gefahren war um Musik zu hören, und sein Blick bei dem Elend drum herum hängen blieb. "Die Managerkurse waren nicht das, was die Menschen dort wirklich brauchten. Also habe ich zugehört und erfahren, dass ich etwas für die Kinder tun kann", erzählt Peter Hesse von den Anfängen seines Haiti-Projektes.

Mehr als 50 Montessori-Vorschulen und über 800 ausgebildete Lehrerinnen: Das ist die Bilanz der Peter-Hesse-Stiftung nach 30 Jahren in Haiti. Sie wurde zu seinem Lebenswerk, nachdem ihn seine Gesundheit zwang sich zu entscheiden und er die Geschäftsführung der Künstlerfarben-Firma Schmincke an seinen Nachfolger übergeben hat. Als Unternehmer hat sich Peter Hesse übrigens auch parteipolitisch engagiert. Nach einer heftigen wirtschaftspolitischen Debatte mit dem damaligen Juso-Vorsitzenden entschied er vor Jahrzehnten: Wir gehen jetzt erstmal zusammen in die Altstadt ein Bier trinken und morgen trete ich in die CDU ein. Mittlerweile hat er jedoch jeglichen Respekt vor großen Organisationen verloren. "Ich werde mit meinen Ansichten in vielen Gremien nur belächelt", glaubt er. Beeindrucken lässt er sich davon allerdings nicht. Dabei hilft ihm seine Erinnerung an die Worte seines ehemaligen Schulleiters im Internat Salem: "Bleib immer offen für Veränderungen. Aber wenn du etwas als richtig erkannt hast, dann schwimme dafür auch gegen den Strom."

So lässt sich Peter Hesse nicht aufhalten, wenn er von einer Sache überzeugt ist. Er reist viel, pendelt zwischen seinem Haus in Düsseldorf und der Wohnung in Paris. Jahrelang hockte er immer wieder gemeinsam mit den Mönchen auf dem Boden der Kirche von Taizé. Er hält Seminare auf dem Weltsozialgipfel und hat das erste Montessori-Schulungszentrum in Afrika ins Leben gerufen.

Erst vor ein paar Wochen hat er an die Kanzlerin geschrieben, um seine Sorge über das Transatlantische Freihandelsabkommen zum Ausdruck zu bringen. Vor ein paar Tagen hat er schon wieder die Koffer gepackt. Diesmal allerdings, um mit seinem kleinen Boot über die Wellen zu schaukeln. Es trägt den Namen, den auch schon seine Vorgänger hatten: DENNOCH.

(magu)
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