Mettmann Weniger gibt Alles fürs Museum

Mettmann · Gerd-Christian Weniger leitet das Neanderthal Museum seit der Eröffnung im Jahr 1996.

 Gerd-Christian Weniger mit "Mister 4%" im Neanderthal Museum.

Gerd-Christian Weniger mit "Mister 4%" im Neanderthal Museum.

Foto: Dietrich Janicki

An seinen ersten Besuch im Neandertal erinnert sich Gerd-Christian Weniger noch ziemlich genau. Weiße Wände, viel freie Fläche und für den damals Elfjährigen nicht wirklich spannend. Dass gerade umgeräumt wurde und die Nachkriegszeiten für das Museum ohnehin keine leichten waren, konnte der damals wohl enttäuschte, junge Besucher nicht wissen. "Das Wildgehege hat mich mehr interessiert", denkt Gerd-Christian Weniger an seine erste Begegnung mit dem Neandertaler zurück.

Heute - beinahe 50 Jahre später - muss man wohl ganz andere Fragen stellen. Von weißen Wänden und ein paar auf Tischen präsentierten Knochenfunden kann keine Rede mehr sein. Stattdessen erwartet das weltweit renommierte Neanderthal Museum im kommenden Frühjahr den dreimillionsten Besucher. Und Gerd-Christian Weniger wandelt nicht nur zwischendurch mal als Wochenendausflügler durch die Gänge, sondern ist als Museumsleiter vor 18 Jahren quasi eingezogen in den preisgekrönten Bau. Als promovierter Archäologe hält er dort seither die Fäden fest in der Hand.

Auch wenn er bei jeder Gelegenheit betont, wie wichtig das Engagement und die Begeisterung seiner mittlerweile 25 Mitarbeiter ist, bemerkt man ziemlich bald: Gerd-Christian Weniger ist kein Chef der alten Garde, der sich unbedingt als Mittelpunkt wahrnehmen muss. Man kann sich gut vorstellen, dass er eine entspannte Arbeitsatmosphäre durchaus zu schätzen weiß und fördert. Dem aufmerksamen Beobachter seiner literarischen Fachbuchsammlung entgeht zudem kaum, dass hier jemand nicht einfach nur einen Museumsbestand verwaltet. Im Gegenteil, mit dem profunden Kenner der Ur- und Frühgeschichte lässt es sich wunderbar plaudern über neuste Entwicklungen und all das, was sich daraus für die Moderne ergibt.

Dass Gerd-Christian Weniger keineswegs nur auf seinem Chefsessel sitzt, um Akten zu wälzen, wird schnell klar. Stattdessen kann es durchaus sein, dass er gerade daneben steht, wenn irgendwo auf der Welt einer der seltenen spektakulären Neanderthaler-Funde ausgegraben wird. "Ich bin auch unterwegs, um archäologische Ausgrabungen und Forschungsprojekte zu koordinieren", gibt er einen Einblick in seinen beruflichen Alltag, der ihn regelmäßig ins Ausland führt. Dort liegt er dann auch schon mal im Schlafsack unter freiem Himmel. Wer es gern bequem hat, dürfte von einem solchen Leben kaum begeistert sein. Für Gerd-Christian Weniger scheint genau das der Motor zu sein, der sein Leben antreibt. Dazu steht er auch noch einmal in der Woche als außerplanmäßiger Professor an der Kölner Universität im Hörsaal, um seine Studenten für die Ur- und Frühgeschichte zu begeistern.

Die Idee, in einem Museum nicht nur Geschichte, sondern auch Geschichten zu erzählen, hat Gerd-Christian Weniger übrigens schon vorangetrieben, als das Neanderthal Museum vor beinahe zwei Jahrzehnten gerade seine Türen geöffnet hatte. Damals sei das Haus für die eingestöpselten Kopfhörer noch belächelt worden, heute gehört diese Technik längst zum Standard vieler Museen. "Wer einen starken Auftritt hat, muss mit Gegenwind rechnen", lässt er durchblicken, was vor allem in den Anfangsjahren auch in die Öffentlichkeit durchgedrungen war: Es hat sie gegeben, die notorischen Nörgler, denen man nichts recht machen konnte. Die Architektur, die ungewöhnliche Anordnung der Ausstellung und das ganze Drumherum - alles schien gewöhnungsbedürftig zu sein. Mittlerweile sind die Kritiker verstummt und das Museum rangiert im internationalen Ranking ganz oben.

Besonders stolz ist der Museumschef darauf, dass über 70 Prozent der Kosten selbst erwirtschaftet werden - ein Traumwert in der Museumsszene. Dass all das nicht ohne permanenten Einsatz möglich war, versteht sich von selbst. Was jedoch die Frage nahe legt, ob der mittlerweile berühmte Neandertaler für seinen "Chef" noch Arbeitskollege oder schon Familienmitglied geworden ist? Und ob vielleicht Freunde oder gar die Ehefrau die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn mal wieder irgendwo ein steinzeitlicher Fingerknochen ausgegraben wird, der dann zum Gesprächsthema Nummer eins avanciert?

Nach seinem Beziehungsstatus in Sachen Neandertaler befragt, schüttelt Weniger lachend den Kopf. Nein, so schlimm, wie befürchtet, sei es nicht. Es gebe durchaus auch Mußestunden, die er gerade in den eigenen vier Wänden besonders schätzt. Dass jedoch das Miteinander mit dem prominenten (Stein-) Zeitgenossen in ein paar Jahren zu Ende gehen wird, hat der sich dann in den Ruhestand verabschiedende Museumsleiter durchaus schon im Blick. Bis dahin soll die Fundstelle ein neues Gesicht erhalten. "Das ist mir eine Herzensangelegenheit", sagt Gerd-Christian Weniger. Man glaubt es ihm sofort.

(magu)
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