Mettmann Wenn die Turmuhr mal falsch tickt

Mettmann · Die Mettmanner Pfarrkirche St. Lambertus bekommt ihr Zeitsignal von der Braunschweiger Atomuhr.

 Ersetzen in der Mettmanner Ortsmitte durch ihre atomuhrgenaue Präzision so manche Armbanduhr: Die per Funksignal getakteten Zeiger am Turm der katholischen Kirche St. Lambertus.

Ersetzen in der Mettmanner Ortsmitte durch ihre atomuhrgenaue Präzision so manche Armbanduhr: Die per Funksignal getakteten Zeiger am Turm der katholischen Kirche St. Lambertus.

Foto: Stephan Köhlen

Die kleinste, gemeinsame Einheit der Ewigkeit erreicht Mettmann über Langwelle. Genauer: über 77,5 Kilohertz. Denn hierzu steht bei Frankfurt am Main ein eigener Sender und taktet alle Funkuhren in Deutschland ein. Am Ausgangspunkt des Funksignals hat Zeit so gar nichts Relatives. Vielmehr müht sich ein Heer von Wissenschaftlern in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zu Braunschweig darum, keinen Bruchteil einer Sekunde zu verlieren.

CS 2 ist Deutschlands Taktgeber, eine Atomuhr, in der die Zeitspanne zwischen den Aggregatzuständen von Cäsiumatomen den Rhythmus für den Rest des Landes schlägt. Der Weg von absoluter Präzision auf atomarer Ebene hin zur Turmuhr von St. Lambertus im Zentrum von Mettmann, hin zum Satz "Gleich ist es dreiviertel zwölf", dieser Weg ist kürzer als man ahnt.

Er führt über einen grauen Kasten mit leuchtender Digitalanzeige an der Wand der Sakristei. Er ist so angedübelt, dass niemand aus Versehen einen der Knöpfe drücken und die Zeit in St. Lambertus durcheinanderbringen kann. "Im Prinzip ist das ein spezieller Computer", sagt ein Mitarbeiter der Herforder Elektromotoren-Werke GmbH & Co. KG, kurz HEW. Sobald die Zeiger der Kirchturmuhr aus dem Takt geraten, entsendet HEW einen Techniker, der die Zeit repariert. Die bislang letzte größere Reparatur steht für April 2017 in den Unterlagen der HEW. Damals wurde eine komplette Motorplatine erneuert.

Mit dem kleinen grauen Kasten an der Wand hat sich Gott die Hoheit über die Zeit zurückgeholt. In der Vergangenheit pfuschte ihm der Mensch dazwischen. Da gab es im Turm ein Uhrwerk mit Zahnrädern und eigener Unruh, im Vergleich zur Armbanduhr natürlich im XXL-Maßstab.

Diese Mechanik hatte ihre Tücken: "Einmal pro Woche musste das Uhrwerk aufgezogen werden, regelmäßig kam ein Uhrmacher, um nach der Mechanik zu sehen." Die Zahnräder der Zeit griffen nur dann geschmeidig ineinander, wenn ihre Achsen und Lager ordentlich geschmiert wurden. Das geschieht heute alles vollautomatisch, über Elektromotoren. Auch die Ende Oktober anstehende Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit gelangt über diesen Funkweg auf den Mettmanner Funkturm. Völlig ohne dass jemand am Mettmanner Markt 16 die vielen Stufen hinauf ins Turmgebälk steigen muss. Zugleich ist der Gottesdienst-Kalender von St. Lambertus in dem kleinen grauen Zeitkasten eingespeichert. Rechtzeitig vor der Messe werden die Glocken in Gang gesetzt, um die Gläubigen zur Kirche zu rufen.

Vielen Anwohnern der Mettmanner Innenstadt ersetzt St. Lambertus die eigene Armbanduhr. Sie verlassen sich auf den Zeitgeber im Kirchturm. Sobald die Zeit am Turm in luftiger Höhe aus dem Takt gerät, rufen die Nachbarn im Pfarrbüro an und fragen, warum es nicht geläutet hat. Oder weisen - wie in der vergangenen Woche - darauf hin, dass der Zeitgeber für die Ortsmitte aus dem Takt geraten zu sein scheint.

Dann ist es für Küsterin Martina Koller wieder einmal an der Zeit, den Wartungstechniker zu rufen: "Von der Technik dahinter verstehe ich nur wenig." In der vergangenen Woche wurde die kleine Störung der Mettmanner Pünktlichkeit so behoben. In aller Eile, versteht sich.

(RP)
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