Interview Sabine Kittel "Wir müssen Lipödem bekannt machen"

Mettmann · 4,5 Millionen Frauen in Deutschland sind von der unheilbaren Erkrankung Lipödem betroffen, einer Fettverteilungsstörung.

 Die Betroffene Sabine Kittel (re.) neben Olaf Delius, der das Lymphnetzwerk mit ihr gegründet hat und MdB CDU Sylvia Pantel beim "Lipödem-Tag" in Hilden. Im Vordergrund passt Sylvia Perez Diaz eine Arm-Kompression an.

Die Betroffene Sabine Kittel (re.) neben Olaf Delius, der das Lymphnetzwerk mit ihr gegründet hat und MdB CDU Sylvia Pantel beim "Lipödem-Tag" in Hilden. Im Vordergrund passt Sylvia Perez Diaz eine Arm-Kompression an.

Foto: ola

Wie hat sich die Lipödemerkrankung bei Ihnen bemerkbar gemacht?

Sabine Kittel Das fing schon in der Pubertät bei mir an. Ich hatte immer dickere Beine und einen dickeren Hintern als andere. Den ersten Schub habe ich dann in der Schwangerschaft erfahren, einen weiteren Schub dann in den Wechseljahren. Von der Krankheit habe ich aber erst von einem Venenspezialisten vor sechs Jahren erfahren.

Wie haben Sie sich bei der Diagnose gefühlt?

Kittel Ich bin in ein schwarzes Loch gefallen, als ich mich über die Krankheit informiert habe. Denn da sah man Bilder von den Frauen mit ausgeprägtem Lipödem und mein Arzt hatte mir erzählt, dass man nichts machen könne. Die Krankheit hat nichts mit dem Körpergewicht und der Ernährung zu tun. Man kann sich gesund ernähren und viel Sport machen, aber das Fett reichert sich trotzdem in den Armen und Beinen an. Es gibt Bilder von magersüchtigen Frauen mit der Krankheit, die trotz Untergewichts daran leiden. Das war für mich psychisch nur schwer zu verkraften.

Welche Folgen hat diese Krankheit bei Ihnen mit sich gebracht?

Kittel Durch das Lipödem leide ich in beiden Knien an Arthose. Im Alltag bin ich dadurch sehr eingeschränkt und kann beispielsweise nicht drei Stunden am Stück den Haushalt machen, weil ich dann sehr starke Schmerzen in den Beinen bekomme. Auch das Einkaufen wird zur Belastung. Es fühlt sich an, als hätte man Beton in den Beinen.

Was machen Sie gegen die Krankheit?

Kittel Ich trage Kompressionsstrümpfe, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Außerdem gehe ich zweimal die Woche zur Lymphdrainage und mache viel Wassergymnastik. Des Weiteren ziehe ich auch eine Liposuktion, also eine Operation, in Betracht.

Seit kurzem werden die Folgen des Lipödem als Behinderung anerkannt. Warum wird die Krankheit erst jetzt langsam anerkannt?

Kittel Die Erkrankung wird von der Gesellschaft nicht anerkannt. Die Leute denken, dass das Fett vom vielen Essen kommt. Es scheiden sich sogar unter den Ärzten die Geister, ob eine Operation die Krankheit heilen kann oder nicht. Das nimmt die Krankenkasse zum Anlass und verweigert bisher eine Übernahme der Operationen. Es gibt bisher nämlich keine Langzeitergebnisse zu der Behandlung mit Operationen.

Wie viel kostet die Behandlung der Krankheit?

Kittel Die medizinischen Kompressionsstrümpfe werden maßgefertigt und kosten jedes Jahr eintausend Euro. Diese Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Außerdem fallen Ausgaben für die Lymphdrainagen an. Diese übernimmt auch die Krankenkasse und zahlt so im Laufe der Krankheit rund 180.000 Euro. Die Kosten für drei bis vier Operationen belaufen sich insgesamt auf eine Summe von 15.000 bis 20.000 Euro. Die Krankenkasse zahlt also rund 180.000 Euro für die Behandlungen der Krankheit, aber übernimmt die Operationskosten nicht. Wir kämpfen dafür, dass sich das künftig ändert.

Was raten Sie anderen Betroffenen?

Kittel Es ist wichtig, nicht die Augen zu verschließen und frühzeitig gegen die Krankheit zu wirken. Dazu gehört beispielsweise das regelmäßige Tragen der Kompressionsstrümpfe. Es ist außerdem hilfreich, ein Bewusstsein für gesunde Ernährung und Sport zu entwickeln. Kein Betroffener soll sich verstecken, sondern lieber dazu beitragen, die Krankheit publik zu machen.

NICOLE KUSKA STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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