Kolumne: An(ge-)dacht "Wir weigern uns, Feinde zu sein"

Mettmann · Ein Weinberg, im Besitz einer palästinensischen Familie im Westjordanland. Eigentlich ein schöner Ort auf einem Hügel mit großartiger Aussicht auf das weite Land. Aber das Leben dort ist hart. Rings herum israelische Siedlungen, die der Familie den Besitz streitig machen. Wein wächst dort schon nicht mehr. Dafür gibt es genug Stoff für Konflikte. Für Einseitigkeiten. Für Wut und für Verzweiflung. Aber am Eingang der Spruch: "Wir weigern uns, Feinde zu sein". In farbiger Schrift auf einem großen Felsblock.

 Pfarrvikar Gregor Schulte, Pfarre St. Lambertus Mettmann

Pfarrvikar Gregor Schulte, Pfarre St. Lambertus Mettmann

Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

Daoud Nassar, ein evangelischer Palästinenser, betreut dort ein Projekt, das "Zelt der Völker": Jugendliche aus aller Welt kommen auf den Weinberg und helfen mit, die Anlagen instand zu halten. Sie arbeiten nicht nur dort. Sie lernen auch etwas von Frieden und Versöhnung. Theoretisch und praktisch. Und das an einem der schwierigsten Konfliktherde der Erde, an dem es viel Hass und keine einfachen Lösungen gibt. Besucher erzählen, dort habe man nichts von diesem unendlichen Hass gehört, der Israelis und Palästinenser auf so grausame Weise verbindet.

Stattdessen dieser Spruch: "Wir weigern uns, Feinde zu sein".

Was Hass, was Feindschaft bewirkt, haben die letzten Wochen im Heiligen Land gezeigt. Der Mord an drei israelischen Religionsschülern durch palästinensische Terroristen. Der Mord an einem palästinensischem Jugendlichen, die Rache eines israelischen Fanatikers. So dreht sich die Spirale immer weiter.

Nun hagelt es Raketen der Hamas auf israelische Städte - und Israel antwortet mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gaza-Streifen. Natürlich, was soll Israel auch tun, irgendwie muss man die Bevölkerung gegen diese Raketen schützen. Aber mit jedem Opfer, egal auf welcher Seite, wird der der Hass größer, die Feindschaft erbitterter. Und immer mehr bekommen auf beiden Seiten die Hardliner das Sagen. Die Rache, die Feindschaft gebiert Gewalt, die dann niemand mehr einfangen kann. Auch in unseren Städten ist sie mit Händen zu fassen. Dabei könnte es anders gehen.

Der evangelische Propst von Jerusalem hat in einem Interview erzählt, dass die Angehörigen der getöteten jüdischen und arabischen Jugendlichen miteinander telefoniert haben. Dass sie sich gegenseitig ihr Beileid und ihre Anteilnahme ausgesprochen haben. Sie haben sogar vereinbart, dass sich die drei jüdischen Familien mit der arabischen Familie treffen wollen. Da weigert sich jemand, einander Feind zu sein. Menschen, die allen Grund zur Verbitterung hätten. Ein Geschenk der Hoffnung, dass es auch mitten in dieser aufgeheizten Stimmung aus Hass und Feindschaft so etwas wie Versöhnung geben kann. Ich empfinde es als ein Geschenk Gottes. Etwas, das Menschen eher nicht aus eigener Kraft zustande bringen. Auf diese Versöhnung dürfen wir hoffen. Sollen alles dafür unternehmen, was in unserer Macht steht, damit sie sich ihre Bahn brechen kann.

PFARRVIKAR GREGOR SCHULTE, PFARRE ST. LAMBERTUS METTMANN

(RP)
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