Kreis Mettmann Wo sich Defibrillator-Träger austauschen

Kreis Mettmann · Die regional einzige Selbsthilfegruppe trifft sich einmal im Monat in Hilden. Mit dabei ist jeweils ein Experte.

 Träger von Defibrillatoren haben oft mit ungewohnten Problemen zu kämpfen.

Träger von Defibrillatoren haben oft mit ungewohnten Problemen zu kämpfen.

Foto: Olaf Staschik

Die Fingerspitzen tasten behutsam über die Brust von Eddy Wuytack. Oberhalb des Herzens ist ein harter Gegenstand unter der Haut zu spüren, nicht zu sehen. Es ist ein in den Körper implantierter Defibrillator. Dieses Gerät versetzt dem Herzen des 49-Jährigen einen Stromschlag - sobald es aus dem Takt gerät. "Die kleinen Eingriffe der Technik merken Sie nicht", sagt Wuytack. In höchster Not aber zucken bis zu 900 Volt in den Muskel, dessen ständiges Pulsieren über Leben und Tod entscheidet. Bei der Defibrillator-Selbsthilfegruppe Hilden treffen sich rund 20 Menschen, deren Leben sich mit dem zigarettenschachtelgroßen Gerät grundlegend geändert hat.

"Jeder von uns hat eine viele Jahre währende Krankheitsgeschichte", sagt der Initiator der Gruppe, Horst Müller. Herzinfarkte, Bypässe, Stents, künstliche Herzklappen - mittlerweile hat die Medizin viele Möglichkeiten, bei Herzproblemen zu helfen. In besonders schwierigen Situationen wird die Miniaturvariante jenes Gerätes in den Körper eingesetzt, das Fernsehzuschauer aus Krankenhausserien kennen: "Alle zurücktreten!" Schock!

So ein Herzstimulator kostet um die 33 000 Euro; die OP-Kosten nicht mitgerechnet. Im krassen Unterschied zu diesem finanziellen Wert stehen die Erlebnisse der Patienten, denen so ein "Defi" eingesetzt worden ist. "Wenn Sie nicht selbst danach fragen, bekommen Sie von den Ärzten relativ wenig erklärt", sagt Jutta Stein (44), die von sich sagt: "Eigentlich war ich immer kerngesund; nur zwischendrin mal elf Minuten lang ohne Herzschlag." Sie fiel im Krankenhaus einem Arzt vor die Füße. "Sonst wäre ich heute vielleicht nicht mehr."

Zur Sprachlosigkeit des medizinischen Personals kommen die Ängste der Angehörigen und die Ablehnung durch die Arbeitgeber hinzu. Jutta Stein und Eddy Wuytack arbeiten bei unterschiedlichen Firmen. "Es handelt sich um große Unternehmen", sagen beide. Bei der Selbsthilfegruppe stellten sie fest, dass Leute mit eingebautem Herzfehler "offenbar möglichst rasch aus der Belegschaft entfernt" werden sollen. Jutta Stein sagt: "Nur wer mit seinem Anwalt droht, hat seine Ruhe." Wuytack nickt: "Die Personalabteilungen wissen nicht, wie sie mit uns umgehen sollen."

Zu der Angst um die Arbeitsstelle kommt eine Reihe von Veränderungen im Alltag hinzu. Radfahren ist verboten, denn ein Defi setzt ohne Vorwarnung ein, lähmt im Ernstfall seinen Träger und würde ihn böse stürzen lassen. Schwimmen gehen dürfen "Defis" nur mit einer Begleitperson.

In vielen Boutiquen und Kaufhäusern sichern elektrische Schranken und Magnetetiketten die Ware vor Ladendieben. "Wir sind angehalten, diese Schleusen möglichst schnell zu passieren. Würde ein Etikett in einem gerade gekauften Pullover vergessen und der Alarm ginge los: Die elektromagnetischen Wellen könnten den Defi auslösen." Am Flughafen werden für Defi-Träger die Metalldetektoren abgeschaltet. "Während das Sicherheitspersonal sehr freundlich reagiert, schauen Mitreisende manchmal schräg: Ah, da hat jemand Sonder-Privilegien."

Es tut gut, all das in der Selbsthilfegruppe aufarbeiten zu können. Hinzu kommen Experten, wie zuletzt ein Apotheker, der einen Vortrag über die Wechselwirkung von Medikamenten gehalten hat. Manche der Teilnehmer müssen bis zu 12, 15 Pillen und Tropfen pro Tag nehmen. "Da achtet man lieber selbst darauf, ob sich irgendetwas nicht miteinander verträgt."

(RP)
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