Mönchengladbach 1000 Gesichter im Kamillus-Kolumbarium

Mönchengladbach · Es sind junge Menschen, alte Menschen, Prominente, Obdachlose, Banker, Behinderte. Der Fotograf Carsten Sander hat sie im Laufe von fünf Jahren mit seiner Kamera porträtiert. Zum ersten Mal werden sie in ihrer Gesamtheit zu sehen sein.

 Carsten Sander im St. Kamillus Kolumbarium.

Carsten Sander im St. Kamillus Kolumbarium.

Foto: Isabella Raupold

Er fordert Achtsamkeit - und Nächstenliebe. "Die Menschen schauen sich nicht mehr an, sie gönnen sich nicht die Zeit, haben keine Ruhe, sie nehmen sich nicht mehr wirklich wahr", sagt Carsten Sander. Der Berliner Fotograf hat in fünf Jahren 1000 Menschen porträtiert. Fast 40.000 Kilometer hat er dafür zurückgelegt. Er hat Kinder, junge Leute, alte Leute, Prominente aus Politik, Sport und Kultur, Obdachlose, Handwerker, Behinderte, Passanten und Cafégäste fotografiert. Die Porträtierten schauen frontal in die Kamera. "Meditativ" seien seine Bilder, sagt der Künstler, der in Berlin lebt und arbeitet. Er habe ohne jegliche Distanz ganz tief in ihre Seelen geschaut, sagt er. Die Fotos sind jeweils 35 mal 25 Zentimeter groß und auf Leinwand gedruckt. Carsten Sander präsentiert sie mit nur geringen Abständen in Reihen neben und übereinander. Klassische Petersburger Hängung - in gewisser Weise.

"Heimat. Deutschland - deine Gesichter", nennt der Fotograf die Serie, für die er im vergangenen Jahr den German Design Award bekommen hat. Und nun kommen die ausgezeichneten Fotos in das Kolumbarium St. Kamillus. Sie werden eine riesige Wandfläche einnehmen. 2000 Nägel werden sie halten, 2000 Augen in den wunderschönen Raum schauen. Katja Mehring, Architektin und Geschäftsführerin von bdmp-Architekten & Stadtplaner, die verantwortlich zeichnet für den Umbau der Kirche zum Kolumbarium hat Sanders Fotos in einer Ausstellung in Bonn gesehen - und war restlos begeistert. Und sie setzte alles daran, die Fotos in die großartige Architektur von Dominikus Böhm zu holen. "Dafür bin ich ihr sehr dankbar", sagt Carsten Sander, der von der Symmetrie und die Gliederung der Architektur spürbar angetan ist. Zum ersten Mal werden alle 1000 Fotos gemeinsam in einem Raum, an einer Wand zu sehen sein.

 In dieser klassischen Art präsentiert Carsten Sander seine Porträts - in Reihen neben- und übereinander.

In dieser klassischen Art präsentiert Carsten Sander seine Porträts - in Reihen neben- und übereinander.

Foto: Sander

Die Betrachter werden möglicherweise überwältigt sein. Konfrontiert mit 1000 Gesichtern geht es natürlich auch um die eigene Identität. Das will Carsten Sander. Deshalb hat er im Titel den Begriff Heimat untergebracht. "Ich bin als Jugendlicher viel ins Ausland gereist. Wenn man mich als Deutschen erkannte, kamen oft deutschfeindliche Angriffe." Das habe ihn extrem genervt, "auch weil die Deutschen sich die Beschimpfungen so reinziehen". Nur einmal seien die Deutschen stolz auf ihr Land gewesen. "Das war zur Weltmeisterschaft 2006, da wurde die Hymne gesungen, da wurden Deutschlandfahnen geschwenkt." Indem er 1000 Menschen porträtierte, hat er Heimat gefunden. In den Gesichtern.

Dr. Stefan Wachtel, Rhetorik-Coach und ein enger Freund Sanders, nennt dessen Arbeit "Wahrheitsfotografierkunst". Das findet Carsten Sander gut. "Ein tolles Wort." In der Tat, es passt. Die porträtierten Menschen sind echt, unverfälscht. Das ist es, was Carsten Sander mit ihnen macht. Das ist es, was die Konfrontation mit den 1000 Gesichtern im St. Kamillus Kolumbarium zu einem erkennenden Erlebnis machen wird.

Die Porträtwand ist vom 15. April bis zum 26. Juni, täglich von 9 bis 19 Uhr im Kolumbarium an der Kamillusstraße zu sehen.

(RP)
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