Schwerpunkt Apotheken 175 Jahre lebendige Apotheken-Geschichte

Mönchengladbach · Die Stadt-Apotheke Jansen feiert Geburtstag. Die Entwicklung der Odenkirchener Institution steht exemplarisch für den Wandel einer Branche.

 Rezepturen und Standgefäße: eine Aufnahme aus dem Jahr 1958. Rezepturen und Standgefäße: eine Aufnahme aus dem Jahr 1958.

Rezepturen und Standgefäße: eine Aufnahme aus dem Jahr 1958. Rezepturen und Standgefäße: eine Aufnahme aus dem Jahr 1958.

Foto: Archiv Annette Zimmermann

Im Jahr 1842 flatterte dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Koblenz ein Bittschreiben auf den Schreibtisch. Abgeschickt worden war es in einem Ort, der erst 14 Jahre später Stadtrechte erhalten sollte und von 1794 bis 1814 zu Frankreich gehört hatte: Odenkirchen. Dort, so der Inhalt des Schreibens, mangele es den Bürgern, die bereits seit dem Jahr 1831 bei der Regierung in Düsseldorf für dasselbe Anliegen getrommelt hatten, vor allem an einem: einer Apotheke. Der Brief, so lässt sich genau 175 Jahre später zweifelsfrei konstatieren, muss überzeugend genug verfasst gewesen sein, denn der Oberpräsident der Rheinprovinz gab der Bitte statt. Carl Dürselen gründete daraufhin die erste Apotheke Odenkirchens.

Bestand hat sie bis heute - und feiert in diesem Jahr das entsprechende Jubiläum. Die Rede ist von der Stadt-Apotheke Jansen. "Seit 1920 firmiert der Betrieb als Stadt-Apotheke, der Zusatz ,Jansen' kam später hinzu", sagt Annette Zimmermann, die das Unternehmen seit 2005 in dritter Generation führt. Ihr Großvater Franz Jansen nämlich wurde 1940 Eigentümer der Apotheke, die ursprünglich an der Burgfreiheit 13 stand und im Krieg bis auf die Außenmauern niederbrannte. Er hielt den Betrieb in den Praxisräumen eines befreundeten Arztes aufrecht und begann noch während des Krieges mit dem Wiederaufbau. 1958 erfolgte der Umzug in das heutige Gebäude, 1965 übernahm Jansens Sohn Wilhelm das Geschäft. 1842 gab es im Rheydter Gebiet erst eine andere Apotheke - die Adler-Apotheke, die bereits seit 1793 gegründet wurde und somit 2018 ihr 225-jähriges Bestehen feiern wird. Die Stadt-Apotheke zählt damit zu den ältesten überhaupt in Mönchengladbach. Der Name komme dabei nicht von ungefähr, sagt Zimmermann. "Wir sind fest in Odenkirchen verwurzelt, sehen uns als festen Bestandteil der Stadt." Und: "Wir fühlen uns der Tradition verpflichtet, stellen uns aber natürlich auch gerne neuen Herausforderungen." Mit immerhin 20 Mitarbeitern und 2500 Patienten in der Newsletter-Kartei - das Konzept scheint also aufzugehen, auch nach 175 Jahren.

 Dieses Foto zeigt, wie der Handverkauf an der Burgfreiheit im Jahr 1958 aussah. Damals eröffnete Annette Zimmermanns Großvater Franz Jansen die Apotheke neu.

Dieses Foto zeigt, wie der Handverkauf an der Burgfreiheit im Jahr 1958 aussah. Damals eröffnete Annette Zimmermanns Großvater Franz Jansen die Apotheke neu.

Foto: Stadt-Apotheke Jansen

Das bedeutet zum Beispiel, dass der Apotheker in Zeiten, da die Kunden durch das Internet nicht zwangsläufig besser, aber zumindest mehr informiert sind als früher, ihm noch mehr auf Augenhöhe begegnen muss als ohnehin schon. Das bedeutet aber auch, dass die Apotheke ganz frisch ihren Internetauftritt modernisiert hat, einen Newsletter verschickt, bei Facebook aktiv ist und einen lokalen Lieferservice anbietet - aber eben keinen Versandhandel in Form eines Online-Shops. "Ich sehe unser Geschäft vor Ort" - an der Burgfreiheit 53. Filialen hat Zimmermann nämlich nicht, obwohl sie als approbierte Apothekerin mit einer Hauptapotheke drei an der Zahl betreiben dürfte. Sie habe darüber nachgedacht, als in Odenkirchen zwei Apotheken schlossen, sich aber am Ende dagegen entschieden.

Es sei mitnichten so, dass ausschließlich Ältere in den Laden kommen und die Jüngeren im Netz bestellen. "Spätestens, wenn sie Kinder kriegen, kommen die Jungen auch wieder in die Apotheke", sagt die Inhaberin - und erklärt im selben Atemzug die Leidenschaft für ihre Arbeit: "Meine Hebamme ist eine unserer Kundinnen. Sie hat Ende 2016 gerade wieder ein Frühchen zur Welt gebracht, das ich jetzt über die nächsten Jahre hinweg heranwachsen sehe und sozusagen begleiten werde." Ihrem Apotheker, sagt Zimmermann, erzählten die Menschen im Übrigen Dinge, "die sie nicht einmal ihrem Friseur anvertrauen". Es sei diese soziale Komponente, die die Arbeit besonders auszeichne - wenn man einmal großzügig über die ständig zunehmenden Dokumentationsanforderungen und den sich immer stärker abzeichnenden Nachwuchsmangel hinwegsehe. Die Apotheke bildet natürlich auch aus.

Das Berufsbild hat sich immer wieder stark gewandelt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts zählte die Herstellung von Medikamenten noch zu den vorrangigen Aufgaben. Heute, da der Apotheker in erster Linie "Arzneimittelfachmann" sowie persönlicher Berater und Begleiter ist, ist das nur noch für Haus- und Kinderärzte sowie selten in Form von Zäpfchen der Fall. "Wir bieten eine Grundversorgung, die so unterschiedliche Dinge wie Inkontinenz, Strümpfe, Ernährungsberatung, aber auch einen pflanzlichen Schwerpunkt umfasst." Früher, sagt sie lachend, hätte sie in ihrem Holzmörser vielleicht "meine spezielle Rezeptur des sagenhaften Allheilmittels Theriak hergestellt. Diese Rezeptur ist leider über die Jahre verlorengegangen."

Ob sie schon immer gewusst habe, dass einmal Apothekerin werden will? "Angeblich ja. Meine Mutter sagte das jedenfalls immer", sagt Zimmermann und lacht. Noch unklar sei allerdings, ob eine ihrer drei Töchter das Geschäft eines Tages übernehmen möchte. "Die jüngste sagt, sie macht es ,zur Not'. Ganz ehrlich: Man sollte aber wirklich Spaß daran haben." Das Jubiläum feiert die Apotheke in der letzten Juniwoche, doch bereits davor gibt es immer wieder Aktionen.

(tler)
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