Mönchengladbach 24-Jähriger sucht Mitbewohner in Beatmungs-WG

Mönchengladbach · Tobias sitzt im Rollstuhl und trägt eine Beatmungsmaske über der Nase. Der 24-Jährige leidet unter der Muskeldystrophie Duchenne, einer Erbkrankheit, bei der die Muskulatur abgebaut wird. Aber er will in einer Wohngemeinschaft leben, so selbstständig wie möglich. Dafür wird ein Mitbewohner gesucht. Jemand, der auch auf ein Beatmungsgerät angewiesen ist. Jemand, mit dem er auch mal etwas gemeinsam machen kann. Und jemand, der kein Problem mit Techno-Beats hat, denn die hört Tobias gern und laut. "Es war schon eine Frau hier, die sich die WG angesehen hat", sagt Frank Heese von der gemeinnützigen Firma SAB, die die Wohngemeinschaft betreibt. Aber da passte nicht alles so, wie es in einer Wohngemeinschaft passen sollte. Also wird weiter gesucht. Dass der passende Mitbewohner bald gefunden wird, davon ist Heese überzeugt.

Die Firma hat einschlägige Erfahrungen auf diesem Gebiet. Vor allem in Nord- und Ostdeutschland, seit Kurzem aber auch im Westen bietet sie die Dienstleistungen an, die es Menschen ermöglichen, auch mit Beatmung eigenständig und selbstbestimmt zu leben, allein oder in Wohngemeinschaften. "Früher hätten die Menschen stationär aufgenommen werden müssen", erklärt Heese. Dafür wird ein Team zusammengestellt, das den jeweiligen Kunden rund um die Uhr betreut. Das Beatmungsgerät und die verschiedenen Vitalparameter müssen schließlich überwacht werden, Kanülen gewechselt oder Sekret abgesaugt werden. Bei der Zusammenstellung des Teams hat der Kunde ein Mitspracherecht, denn er lebt ja mit den Mitarbeitern zusammen. "Manchmal entwickeln sich auch Freundschaften wie bei ,Ziemlich beste Freunde'", sagt Frank Heese augenzwinkernd.

Die Mitarbeiter begleiten Tobias oder andere Kunden bei den Freizeitaktivitäten. Tobias ist ein leidenschaftlicher Borussiafan und glücklicher Dauerkartenbesitzer. Selbstverständlich ist er bei jedem Heimspiel im Stadion. Außer Techno mag er auch noch andere Musik, also geht es auch in den Sparkassenpark, wenn Deichkind dort auftritt. Die Kosten für die Beatmungs-WG werden von den Krankenkassen und zum Teil von der Pflegekasse übernommen. Da für diese Form der Betreuung sehr viel qualifiziertes Personal nötig ist, hat sich das gemeinnützige Unternehmen SAB etwas Besonderes ausgedacht. Es werden Altenpfleger-Klassen eingeladen, denen Tobias seine Lebenslage und die Unterstützung durch die Mitarbeiter schildert. "Das war sehr erfolgreich", sagt Heese. "Vielen Altenpflegern ist gar nicht klar, dass sie in einem Unternehmen wie unseren arbeiten können."

Und die Sicht eines Betroffenen, dem die Unterstützung viel Selbstständigkeit ermöglicht, wirkt sicher noch einmal besonders überzeugend.

(RP)
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