Mönchengladbach 5. Sinfoniekonzert: Die Farben des Jugendstils

Mönchengladbach · Die beiden Jahrzehnte, die die Jahrhundertwende von 1900 einrahmen, gehören zum Spannendsten, was die Musikgeschichte der Klassik hervorgebracht hat. Die Welt ist schon aus den Fugen, bevor die großen politischen Katastrophen über sie hereinbrechen; Formen, Farben, die gesamte Harmonik: das Althergebrachte wankt, die Musik bricht auf zu neuen Ufern. Im 5. Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker richtet nun GMD Mihkel Kütson gleich ganz und gar den Fokus auf diese Epoche, die im Wien Gustav Mahlers den Jugendstil hervorbringt. Die Vierte Sinfonie des mit Richard Strauss berühmtesten Dirigenten seiner Zeit ist ein Paradebeispiel für die Kunst Mahlers, mit einer Dauer von rund 60 Minuten noch vergleichsweise kurz, zwar mit vier Schlagwerkern aber ohne das ganz große Blech besetzt und vielleicht auch deshalb eine der populärsten Werke des großen Orchesterpraktikers. "Alles steht haarklein in der Partitur, als Dirigent muss man nur darauf achten, dass alles auch so gespielt wird", verharmlost Kütson seinen Part beim Erarbeiten der Vierten. Schließlich verbergen sich in dem um ein Wunderhorn-Lied "Vom himmlischen Frieden" gebauten Werk etliche Finessen, von denen gleichzeitig unterschiedliche Tempi in verschiedenen Orchestergruppen und eine um einen Ton höher gestimmte Geige als Klageffekt nur die hervorstechendsten sind. Kütson freut sich jedenfalls auf die Konzert-Reihe in Krefeld und Gladbach in der kommenden Woche.

Als Eröffnung des mit den Farben des Jugendstil spielenden Programms wird das "impressionistischste Stück schlechthin" (Kütson) erklingen, Claude Debussys 1894 uraufgeführtes "Prélude à l'après-midi d'un faune". In einer Art fortschreitender Variation wird die Klangfarbe zum Träger der Musik, kleine rhythmische Motive durchziehen die Orchestergruppen. "Nichts Greifbares", wie Kütson meint, eher ein unentwegtes "Schimmern und Schwirren". Das Brüchige, die Klangfarben herauszuarbeiten, das sei die Herausforderung in der gerade begonnenen Probenarbeit.

Im Zentrum des Konzerts steht ein Werk des Massenet-Schülers Charles Koechlin aus dem Jahr 1895: vier Orchesterlieder auf Texte von Edmond Haraucourt. Die Sopranistin Sophie Witte, Mitglied des Musiktheaterensembles, die auch den Gesangspart in der Mahler-Sinfonie übernimmt, wird den vordergründig harmlosen Liedern ihre Stimme geben und sie zu den Abgründen führen, die die morbiden Texte und mit ihnen die Musik aufsuchen.

26. April, 20 Uhr, im Theater, 27. April, 20 Uhr, KFH

(ark)
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