Mönchengladbach 573 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt

Mönchengladbach · Beinahe täglich wird in Mönchengladbach die Polizei gerufen, weil eine Frau vom Partner geschlagen und genötigt wird. Doch nicht jede Gewalttat wird angezeigt. In der Frauenberatungsstelle weiß man, dass die Dunkelziffer hoch ist.

 Selbst wenn die Beamten die Opfer grün und blau geschlagen vorfinden, heißt es nicht so selten: "Sie ist die Treppe runtergefallen".

Selbst wenn die Beamten die Opfer grün und blau geschlagen vorfinden, heißt es nicht so selten: "Sie ist die Treppe runtergefallen".

Foto: Thinkstock

Es gibt Tage, da rückt die Polizei zwei- bis dreimal zu ein und derselben Wohnung aus, weil Nachbarn Schreie und Poltern gehört haben. In solchen Fällen geht es fast immer um häusliche Gewalt. In der Regel sind es Frauen, die von ihren Partnern geschlagen, getreten und gedemütigt werden. 283 Polizeieinsätze und 573 Strafanzeigen gab es aus diesem Grund im vergangenen Jahr. Doch viele Taten werden gar nicht angezeigt. Selbst wenn die Beamten die Opfer grün und blau geschlagen vorfinden, heißt es nicht so selten: "Sie ist die Treppe runtergefallen." Die Frauen schweigen oft aus Angst vor weiteren Übergriffen oder bekräftigen sogar die Aussage ihres Peinigers.

Die Polizei weist die Opfer bei häuslicher Gewalt immer auf Hilfestellen hin. In Mönchengladbach übermitteln die Beamten - mit Einwilligung der Betroffenen - deren Daten per Fax an die Interventionsstelle in der Frauenberatungsstelle. Doch nicht alle Opfer sind damit einverstanden.

Und von denen, die es sind, nehmen nur etwas mehr als 50 Prozent die Hilfe tatsächlich in Anspruch, sagt Doris Ingenhag von der Frauenberatungsstelle. Und: "Wenn wir bei den Frauen anrufen, heißt es in vielen Fällen: ,Das hat sich erledigt.'" Das sei dann oft die Phase, wo der Mann wieder einmal versprochen habe, es nie mehr wieder zu tun.

Vertane Mühe sei die Ausgabe von Informationsbroschüren, Weitervermittlung von Daten und Anrufe bei den Betroffenen aber nicht. "Manchmal liegen die Flyer lange in der Schublade, bis die Frauen sich doch trauen und bei uns anrufen", berichtet Ruth Pütmann von der Frauenberatungsstelle. Hier weiß man, dass die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt enorm hoch ist. Viele schweigen aus Scham und aus Angst.

In der Beratungsstelle rufen nicht nur Betroffene an. Da sei zum Beispiel die Mutter, die sagt, dass die Beziehung ihrer Tochter so schwierig ist, und sie nicht wisse, damit umzugehen oder die Nachbarin, die von den blauen Flecken ihrer Freundin berichtet. Ruth Pütmann: "Wir können aber über Dritte keine Termine ausmachen. Manchmal sind die Personen, die eigentlich Hilfe bräuchten, für eine Beratung nicht bereit."

Oft vergingen Jahre, manchmal auch Jahrzehnte, bis eine Frau sich traue, aus der Beziehung auszubrechen. "Wir haben immer mehr ältere Frauen, auch über 70-Jährige, die in die Beratungsstelle kommen", sagt Ruth Pütmann. Immer häufiger komme auch das Problem "Altersarmut" hinzu.

Die Fachkräfte in der Frauenberatungsstelle helfen Frauen nicht nur, aus der Gewaltspirale auszubrechen, sie beraten auch über die ersten rechtliche Schritte nach der Trennung. Sexualisierte Gewalt ist ebenfalls ein Thema in der Frauenberatungsstelle - und das nicht erst seit den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln. Doch die waren der Auslöser dafür, dass das Land nun bereit ist, mehr Zuschüsse an die Beratungsstellen zu zahlen, wenn der Bereich "sexualisierte Gewalt" weiter ausgebaut wird.

Silvia Henke von der Beratungsstelle Mönchengladbach wäre sofort dafür, wenn durch einen Ausbau nicht auch der Eigenanteil an der Finanzierung der Beratungsstelle weiter steigen würde. "Wir müssen schon jetzt pro Jahr 24.000 Euro aufbringen", sagt Doris Ingenhag, Der Druck, genügend Mittel aufzubringen, sei enorm hoch.

(RP)
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