Mönchengladbach Abiturienten putzen 85 Stolpersteine

Mönchengladbach · Der Künstler Gunter Demnig hat sie verlegt - die Gedenksteine, die an die vielen Menschen erinnern sollen, die von den Nazis umgebracht wurden. Im Laufe der Jahre sind die Messingplatten dunkel geworden. Die Schüler frischten sie auf.

 Die Abiturienten Tino, Keijo, Andreas und Denis haben gemeinsam mit ihrem Religionslehrer Rainer Pleißner jede Menge Stolpersteine in der Stadt gewienert. Jetzt sind die Schriftzüge wieder gut lesbar.

Die Abiturienten Tino, Keijo, Andreas und Denis haben gemeinsam mit ihrem Religionslehrer Rainer Pleißner jede Menge Stolpersteine in der Stadt gewienert. Jetzt sind die Schriftzüge wieder gut lesbar.

Foto: Knappe, J�rg

Als Dina Glaser um kurz nach zehn mit ihrem Bewerbertraining bei einer am Bismarckplatz ansässigen Firma fertig ist und auf die Straße tritt, fällt sie fast über die Abiturienten Tino, Keijo, Andreas und Denis. Die sitzen auf dem Gehsteig und bearbeiten einen Stolperstein mit Putzschwamm und Edelstahlreiniger.

Stolpersteine sind Gedenksteine, die der Künstler Gunter Demnig vor der letzten Wohnung von Menschen verlegt, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Die Betonquader sind mit einer Messingplatte versehen, auf der der Name und das Geburtsdatum des Verstorbenen, das Datum und der Zielort der Deportation, sowie das Datum und der Ort der Ermordung eingraviert sind.

"Ich wusste gar nicht, dass hier Juden gelebt haben" sagt Dina Glaser erstaunt und Religionslehrer Rainer Pleißner erklärt ihr: "Hier standen vor dem Krieg Wohngebäude, und viele jüdische Familien haben unweit der Synagoge an der Blücherstrasse gewohnt." Indem der Stein in den Gehweg verlegt wurde, zwingt er den Passanten gewissermaßen dazu, nach unten zu blicken und sich beim Lesen symbolisch zum Andenken an den Verstorbenen zu verneigen.

Rainer Pleißner ist Schulpfarrer am Berufskolleg Technik und Medien. Er erteilt den Abiturienten der Fachrichtungen Maschinenbau und Informatik evangelischen Religionsunterricht. Er ist auch Beauftragter für das ,Christlich-Jüdische Gespräch' für den Kirchenkreis.

In den Sommerferien hatte er überlegt, wie er die aktuellen Konflikte zwischen Israel und Palästina in seiner Religionsklasse thematisieren könnte: "Wir als Schule greifen auch die aktuellen Dinge auf. Wir glauben dass Politik und Medien die religiösenUrsachen des Konflikts nicht im Blick haben", erläutert Pleißner sein Vorgehen "Deshalb haben wir mit den Schülern eine Doppelstunde über die in der Bibel enthaltenen Wurzeln des Konflikts gesprochen und auch die gemeinsamen Texte, also das alte Testament im Unterricht gelesen."

Die Pflege der Steine habe es seiner Klasse ermöglicht, sich für das Thema Antisemitismus zu sensibilisieren. Parallel habe man auch die Ausstellung "Deportiert ins Ghetto" in der Jugendkirche am Adenauerplatz besucht. Die Stolpersteine werden mit der Zeit dunkler. Denis erklärt: "Durch die Feuchtigkeit bei schlechtem Wetter oxidiert die Oberfläche schneller." Und Tino ergänzt: "Mit etwas Edelstahlreiniger ist die Metalllegierung leicht zu reinigen." Keijo sagt: "Jetzt ist die Schrift wieder richtig gut zu lesen."

Die Schüler und ihr Lehrer gehen weiter zum Adenauerplatz und in Richtung Blücherstrasse. Bis zum Abend reinigen sie noch 85 Steine. "Der Unterricht ist informativ und interessant," sagt Keijo, "ich habe jetzt eine andere Sicht - und viel über den Konflikt gelernt. Vieles verstehe ich jetzt besser. "

(bez-)
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