Mönchengladbach Ablösung von Glaubenshaltungen?

Mönchengladbach · Zwei Tage befassten sich die Teilnehmer der Sozialethischen Gespräche - Theologen, Wissenschaftler und Politiker - mit der "Herausforderung Integration" für das Zusammenleben in Europa. Dabei gab es auch kritische Stimmen.

 Noch vor Beginn der Sozialethischen Gespräche zum Thema Integration bauten Mitarbeiter des Netzwerks für Geflüchtete des Kolpingwerks auf dem Alten Markt ihr Infomobil mit der "Kolping Roadshow Integration" auf. Von links: Desirée Rudolf (Roadshow), Dietmar Prielipp (Kolping), Eva Museller (Kolping) und Uwe Reindorf (Pastoralreferent St. Vitus).

Noch vor Beginn der Sozialethischen Gespräche zum Thema Integration bauten Mitarbeiter des Netzwerks für Geflüchtete des Kolpingwerks auf dem Alten Markt ihr Infomobil mit der "Kolping Roadshow Integration" auf. Von links: Desirée Rudolf (Roadshow), Dietmar Prielipp (Kolping), Eva Museller (Kolping) und Uwe Reindorf (Pastoralreferent St. Vitus).

Foto: Knappe

Eine Aussage ist für Peter Schallenberg, als Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle auch Veranstalter der Sozialethischen Gespräche, so wichtig, dass er sie an den Anfang seines Grußwortes setzt: "Wir sind als katholische Kirche nicht in der Situation, dass wir bei diesem Thema den Stein der Weisen hüten." Gemeint ist die im Gefolge der Flüchtlings- und Migrationsströme immer dringlicher werdende Herausforderung, Neuankömmlinge in die Aufnahmeländer Europas zu integrieren. Und Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners betont bei der Begrüßung, dass "nach den anfänglichen logistischen Problemen nun die Frage der langfristigen Integration dieser Menschen" zu lösen ist. Dabei komme den Kommunen eine Schlüsselposition zu.

Auch die Kirche weiß um die Brisanz dieser Aufgabe, zumal rund drei Viertel der Migranten Muslime sind, wie der Politikwissenschaftler Antonius Liedhegener in seinem Vortrag "Religion und gesellschaftliche Integration in Europa" betont. Liedhegener bezieht sich auf eine Studie der US-Soziologen Richard Alba und Nancy Foner, die im Vergleich von sechs Ländern, darunter Deutschland, auch die Akzeptanz von Muslimen untersuchten. "Danach sank die Quote der Ablehnung des Islam in der Bevölkerung von vormals über 50 Prozent auf 29 Prozent. Das darf uns für die Zukunft optimistisch stimmen", meint der Historiker, der an der Universität im mehrheitlich katholischen Kanton Luzern lehrt.

Eine "sozialethische Einordnung" hatte zuvor Theologin Marianne Heimbach-Steins versucht, die an der Uni Münster das Institut für Christliche Sozialwissenschaft leitet. Sie begründete die Verantwortlichkeit der westlichen Gesellschaften auch mit langfristig nachwirkenden Folgen des Kolonialismus. Daher sei eine von Blockdenken geprägte "Container-Gesellschaft", wie sie von Populisten, aber auch in einigen osteuropäischen Staaten vertreten werde, nicht zukunftweisend. Heimbach-Steins plädiert stattdessen für eine "dynamische Gesellschaft", die "eine "pluralistische Orientierung" zeigt.

Birgit Sippel, für die SPD im Europäischen Parlament, glaubt nicht, dass es Sinn macht, den Zuzug von Flüchtlingen und Migranten technisch einzudämmen. "Man kann Grenzen nicht komplett dicht machen". Ihr widersprach der bulgarische Philosoph Hristo Todorov aus Sofia, indem er ironisch anmerkte: "Unsere Grenzen können wir sehr wohl dicht machen, da haben wir als ehemals kommunistisches Land so unsere Erfahrungen." Im Übrigen könne er seinen bulgarischen Landsleuten nicht erklären, "dass wir mitschuldig daran sein sollen, dass Regierungen in Somalia oder Uganda nicht ordnungsgemäß arbeiten", erklärte Todorov.

Die katholische Kirche sei selbst auf dem Weg in die Pluralität vorangekommen, merkte Weihbischof Dieter Geerlings vom Bistum Münster im Referat "Die Kirche und die religiöse Vielfalt in Europa" an. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 sei keine religiöse Toleranz in Deutschland eingezogen, sondern "wir sind in die Falle der Konfessionalisierung getappt", nach der Devise "Cuius regio, eius religio" (Wem das Land gehört, der bestimmt die Religion). Erst seit dem Vatikanischen Konzil sei das Individuum als Träger des Rechts auf Religionsfreiheit anerkannt. Geerlings outet sich als liberaler Kirchenmann, wenn er fordert: "Religionsfreiheit sollte dem Anspruch auf religiöse Wahrheit übergeordnet werden." Das befremde zwar noch viele Gläubige. Aber, prognostiziert er: "Wir leben in einer Zeit der Lösung aus jahrhundertealten Glaubenshaltungen."

(ri-)
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