Mönchengladbach Altenheime: Mitarbeiter empört

Mönchengladbach · Der Geschäftsführer des Diakonischen Werks, Heinz-Herbert Paulus, hält die Razzien von Polizei und Staatsanwaltschaft für "völlig überzogen". Dies habe zur Verunsicherung bei Mitarbeitern gesorgt. Die Ermittlungen wegen möglicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung in 34 Fällen laufen auf Hochtouren.

Mönchengladbach: Altenheime: Mitarbeiter empört
Foto: ddp, ddp

Für Werner Schell ist Mönchengladbach überall. "Wer denkt, dass es nur hier Probleme in Alten- und Pflegeheimen gibt, der irrt gewaltig. Im ganzen Bundesgebiet ist das ähnlich. In Mönchengladbach ist nur die Lawine losgetreten worden. Und das schlägt jetzt hohe Wellen", sagt der 70-Jährige, der Vorsitzender des Selbsthilfe-Netzwerkes "Pro Pflege" ist.

Schell, ein ehemaliger Verwaltungsbeamter im Wissenschaftsministerium, hat es zu seiner Lebensaufgabe gemacht, sich um alte Menschen und deren Angehörigen zu kümmern.

Giesenkirchen: Note 1,4

Der Skandal im Caritas-Seniorenzentrum Giesenkirchen und die Ermittlungen der Polizei in 34 Fällen wegen möglicher schwerer strafbarer Pflegefälle ist Wasser auf Schells Mühlen, der seit Jahren für bessere Bedingungen in Alten- und Pflegeheimen kämpft. "Eines steht für mich fest: Wenn wir die Pflegebedingungen nicht erheblich verbessern und mehr Personal in die Häuser bringen, werden sich solche Fälle wiederholen", sagt er.

Die kommunale Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) würden lediglich gesetzliche Vorgaben überprüfen. Schell: "Wie fragwürdig das ist, lässt sich schon daran erkennen, dass das so massiv kritisierte Caritas-Pflegezentrum Giesenkirchen vom MDK die Top-Note 1,4 bekam."

Die nicht angekündigten MDK-Kontrollbesuche scheinen die Träger von Pflegeeinrichtungen kaum zu beeindrucken. Wie ein Insider berichtet, können sich die Häuser ziemlich gut auf diese Besuche vorbereiten. Zehn Monate sei immer Ruhe, auf die beiden restlichen Monate müsse besonders geachtet werden.

Und da es sich so eingebürgert habe, dass MDK-Mitarbeiter immer an einem bestimmten Wochentag kämen, würden die Dienstpläne an diesem Tag besonders sorgfältig erarbeitet.

Effektiver sei da schon der Einsatz der bei der Stadt angesiedelten Heimaufsicht. Aber auch nur dann, wenn sie gezielt eingeschaltet würde und konkrete Hinweise bekomme.

Die Vorfälle in den Pflegeeinrichtungen haben nicht nur bei Heimbewohnern und Angehörigen für große Verunsicherung gesorgt. Auch die Mitarbeiter der Häuser seien vielfach ratlos. Bei Heinz-Herbert Paulus, Geschäftsführer des Diakonischen Werks, das drei Altenheime in der Stadt hat, meldeten sich in den vergangenen Tagen wiederholt Beschäftigte. Trotz seines Urlaubs in der Schweiz versucht Paulus aus der Ferne Ruhe zu vermitteln.

"Wir haben drei Top-Häuser mit 240 Plätzen. Es gibt bei uns keine Ermittlungen der Polizei. Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen", sagt er auf Anfrage. Die Atmosphäre sei allerdings "vergiftet", das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft mit umfangreichen Razzien hält Paulus für "völlig überzogen".

Die Polizei erklärte am Montag, dass nicht klar sei, dass es in allen 34 Fällen auch Straftatbestände gebe. "Es liegt lediglich ein Anfangsverdacht vor", sagte Polizeisprecher Jürgen Lützen.

605 Bewohner, 280 Ärzte

Dennoch: Bei Trägern von Alten- und Pflegeeinrichtungen haben die Vorfälle und die Diskussionen der vergangenen Wochen Spuren hinterlassen. Die städtische Sozial-Holding, nach eigenen Aussagen von den Ermittlungen in ihren sechs Häusern nicht betroffen, bietet jetzt zusätzliche Sprechstunden für Bewohner und Angehörige an.

Geschäftsführer Helmut Wallrafen-Dreisow will sein Personal dazu noch aufstocken: Und zwar mit einem Arzt. Er soll die Mitarbeiter intern schulen und ist Ansprechpartner für Angehörige, Bewohner und deren Mediziner. Wallrafen-Dreisow: "Wir haben 605 Bewohner, die von 280 Haus- und Fachärzten betreut werden." Auch da gebe es Komplikationen, die eine Zusammenarbeit erschwerten.

(RP)
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