Waldhausener Straße in Mönchengladbach Anwohner: "Wer will hier noch leben?"

Mönchengladbach · Eine intakte Wohn- und Geschäftsstruktur hatte die Waldhausener Straße zwischen Aachener Straße und Sternstraße in Mönchengladbach viele Jahre. Jetzt wollen langjährige Anwohner am liebsten weg. Sie leiden unter Lärm und fühlen sich allein gelassen.

 Blick in die Waldhausener Straße ab Ecke Aachener Straße: Mehrere Anwohner klagen über einen zunehmenden Lärm von Gaststätten-Besuchern.

Blick in die Waldhausener Straße ab Ecke Aachener Straße: Mehrere Anwohner klagen über einen zunehmenden Lärm von Gaststätten-Besuchern.

Foto: Reichartz

Der ältere Herr weist in unterschiedliche Richtungen. "Da hatten wir eine Metzgerei. Und da auch. Und hier war ein Bäcker", sagt er. Er wohnt seit Jahrzehnten auf dem Teilstück der Waldhausener Straße zwischen Aachener Straße und Sternstraße. Er fühlte sich wohl hier. Viele Jahre lang. Jetzt nicht mehr.

"Aber meine Frau und ich sind zu alt, um noch woanders hinzuziehen", bedauert er. Warum will er weg? Klar, die Metzgereien sind nicht mehr da, auch der Bäcker hat seinen Laden dicht gemacht. Aber im Prinzip ist die Struktur der Straße nicht schlecht: Ein großes Spielzeuggeschäft, Künstlerateliers, ein Computer-Laden, ein Raumausstatter und ein veganes Restaurant haben sich angesiedelt. Dagegen hat er nichts. Auch nicht gegen die Aids-Hilfe und die Flüchtlinge, die in einem Hotel leben. Er und noch andere Anwohner fühlen sich vor allem durch die Gäste von zwei Lokalen belästigt, die "rund um die Uhr lärmen und grölen, vor allem nachts und auf der Straße", sagt er.

Mehrere Anwohner haben sich zusammengetan und tragen ihre Sorgen vor. "Aber schreiben Sie bitte nicht unsere Namen. Wir befürchten dann Repressalien. Und das stehen wir nicht mehr durch", sagen sie. Sie erzählen, wie sie versucht haben, auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Bei Politikern. Bei der Polizei. Aber vor allem beim städtischen Ordnungsamt. Den Polizisten der Altstadtwache stellen sie noch ein passables Zeugnis aus. Alle anderen kommen schlecht weg. Vor allem das Ordnungsamt.

"Fast jedes Wochenende von Freitag bis Sonntag sind hier bis zu 30 Leute, die sich auf der Straße vor den Lokalen aufhalten. Da ist ständig Geschrei. Selbst wenn sie in den Gaststätten sind, werden Fenster und Türen weit geöffnet. Da schallt alles nach draußen. Ich habe beim Ordnungsamt angerufen. Aber die tun nichts. Einmal hat man gleich aufgelegt, nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte", berichtet eine Anwohnerin. Sie hat das Gefühl, dass sich die Gegend zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt. Und alle, die etwas dagegen tun können, schauten weg. "Will man eigentlich, dass hier an der Straße noch Menschen ganz normal wohnen?", fragt sie und gibt sich selbst eine Antwort: "Anscheinend nicht."

Ein Rundumschlag gegen Gaststätten-Betreiber wird es nicht. "Da sind auch ganz Vernünftige darunter", sagt ein Mann. Seine Frau erzählt von ihren Erlebnissen, weil die Wand des eigenen Wohnzimmers direkt an ein Lokal grenzt. "Die hatten früher sonntags immer einen Jazz-Frühschoppen. Da haben wir im Sessel bei uns mitgeswingt, und das war schön." Auch mit dem neuen Pächter komme man klar: "Wir haben immer hier gewohnt, wir leben mit der Gastronomie. Aber vor allem in jüngster Zeit gibt es Entwicklungen, die einfach nicht mehr zu tolerieren sind." Ein anderes Ehepaar hat über der eigenen Wohnung noch eine weitere, die es vermietet. "Sie steht derzeit leer. Jetzt war eine Interessentin da und hat sie sich angeschaut. Beim Blick auf die Straße und die grölenden Menschen hat sie nur gefragt: Ist das hier immer so?", berichtet die Vermieterin. Die Wohnungsinteressentin hat sich nicht mehr gemeldet.

Beschwichtigungen wollen die Anwohner nicht hören. Auch nicht die Dauer-Empfehlung: "Schreiben Sie mal 14 Tage lang alles auf, was Sie an Belästigungen ertragen müssen. Wir haben dann eine Handhabe." Das sei wie gegen Windmühlen zu kämpfen, sagt einer der Anwohner. Sie zücken Smartphones und zeigen Fotos mit zahlreichen Menschen, die sich vor einem Lokal auf der Straße aufhalten. Sie präsentieren auch USB-Sticks: "Da habe ich alles dokumentiert. Sie werden nicht glauben, was sie da sehen."

Gar nicht weit entfernt von der Waldhausener Straße rund um die Citykirche haben vor einigen Wochen Anwohner Ähnliches berichtet. Auch sie fühlten sich belästigt, vor allem von bis zu 30 Jugendlichen, die randalierten, pöbelten, in Ecken urinierten und Kirchenfenster einwarfen. Die Anlieger suchten damals dringend Hilfe. Immerhin meldete sich daraufhin ein CDU-Politiker, der markig ein striktes Eingreifen des Ordnungsamtes forderte. Und die Stadt wurde aktiv: Mit der Nachricht, dass von den zwölf Stellen des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOS), die Hälfte nicht besetzt sei und die Handlungsmöglichkeiten deshalb sehr eingeschränkt seien. Für Wochen.

"Wenn das so weitergeht", sagt eine Anwohnerin der Waldhausener Straße, "dann wird das wohnungsmäßig zu einem Niemandsland. Wer will denn hier noch leben?"

(RP)
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