Mönchengladbach Arznei gegen die digitale Allergie

Mönchengladbach · Hochschule Niederrhein und Wirtschaftsförderung haben Maßnahmen erarbeitet, wie der stationäre Handel fit für die Zukunft wird.

Das Internet, weiß nicht nur Handelsexperte Prof. Dr. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein, ist gekommen um zu bleiben. Wer als Händler hoffe, dass das Netz irgendwann wieder verschwindet und stationären Geschäften eine rein analoge Renaissance blüht, sei schief gewickelt. Also bleibt nur, sich dem digitalen Wandel zu stellen - und den stationären mit dem Online-Handel so zu verquicken, dass sie sich gegenseitig befruchten. Doch das sagt sich leicht. Wie ist das mit dem Fernabsatzgesetz und mit Retouren, wenn ich einen Onlineshop aufbaue? Was, wenn mich jemand wegen des Impressums auf meiner Internetseite abmahnt? Wie komme ich an ein elektronisches Warenwirtschaftssystem? Und auf welchen Portalen sollte ich werben? Fragen wie diese stellen nicht nur kleine Firmen vor große Aufgaben.

Hier setzt das Forschungsprojekt MG Retail 2020 an. Dabei untersuchten Hochschule, Wirtschaftsförderung (WFMG) und etliche Partner mit Landesmitteln anderthalb Jahre lang, wie der stationäre Handel fit für die Zukunft werden kann - am Beispiel der Pilotkommune Mönchengladbach. Von den Ergebnissen sollen dann auch andere Städte in Nordrhein-Westfalen profitieren. Gestern wurden die wesentlichen Erkenntnisse vorgestellt.

Kundenbefragung 1002 Menschen - die Hälfte aus der Stadt, die andere aus dem Umland - gaben im Wesentlichen zu Protokoll: Bevor sie im Laden etwas kaufen, informieren sie sich im Netz über das Produkt. Sie alle bezeichneten den Online-Einkauf als attraktiver als das Shoppen in der Gladbacher City. Sie kaufen am liebsten in Gladbach (42 Prozent) ein, gefolgt von Düsseldorf (14), Rheydt (12), Roermond (Outlet) bzw. Neuss (Rheinparkcenter, jeweils 6) und Köln (4). Die Umfragen wurden allerdings vor Eröffnung des Minto getätigt.

Empfehlungen für Einzelhändler Wer zumindest ein Grundinteresse für den Schritt ins digitale Zeitalter aufweist und nicht an "digitaler Allergie" (Heinemann) leidet, dem wird ein siebenstufiger Plan empfohlen. Los geht es bei Verkäuferschulungen (eben weil die Kunden heute meist gut informiert ins Geschäft kommen), es geht weiter mit ersten Maßnahmen zur digitalen Erreichbarkeit (Homepage, Facebook-Auftritt) und entwickelt sich über die Teilnahme an Online-Marktplätzen und einen eigenen Webshop weiter bis hin zur Vernetzung von Online und stationär. "Das kann etwa ein Click-and-collect-System sein, wo man am Rechner bestellt und im Laden abholt, die gezielte werbliche Ansprache von Smartphone-Nutzern oder die Nutzung von Tablets im Laden, wo man weitere Teile des Sortiments zeigt", sagt Dr. Ulrich Schückhaus, Geschäftsführer der WFMG. Vermieden werden sollte etwa die Teilnahme an Städteportalen ohne Transaktionsorientierung - "das bringt keine Umsätze", sagt Heinemann. Wo auch immer man sich online präsentiert - "es sollte sich am Kaufverhalten des Kunden orientieren". Als Plattform empfiehlt er eBay; vor Amazon warnt er, weil es mit seinem Marktplatz in erster Linie Eigeninteresse verfolge.

Weitere Empfehlungen Shopping-Center- und Warenhausbetreibern werden unter anderem gebündelte "Apps", Abholstationen und Retourenbereiche empfohlen, wie es im umgebautem Karstadt-Untergeschoss künftig der Fall sein könnte. Da mit der Zunahme des Onlinehandels die Einzelhandelsflächen perspektivisch notgedrungen abnehmen werden, werden Immobilieneigentümer ermutigt, temporäre "Pop-up-Stores" zu ermöglichen, wo Start-ups etwa nur für einen Monat Produkte anbieten. "Künftig werden auch Lebensmittelmärkte an Einfallstraßen kreative Lösungen für die Abholung von online bestellten Waren anbieten", sagt Schückhaus. Eine zentrale Empfehlung von "MG Retail 2020" ans Land wird es sein, Ladenöffnungszeiten flexibler zu gestalten. "Online wird nun mal am häufigsten sonntagsabends eingekauft, wenn die Leute Zeit haben", so Heinemann. Auch für Politiker und Werbegemeinschaften gibt es Handlungsempfehlungen.

Gute Beispiele Es gibt durchaus schon Filialisten, aber auch Einzelhändler, in der Stadt, die den digitalen Wandel gewuppt haben: Saturn und Sport-Scheck beispielsweise. "Ich bin aber auch begeistert, wie das Kunsthaus Krichel mit großem Engagement neue Wege geht", sagt Schückhaus. Dr. Christoph Hartleb, Vorsitzender des Rheydter Citymanagements, hebt das Geschäft Etepeteete positiv hervor.

(RP)
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