Mönchengladbach Aus dem Leben eines Hooligans

Seit mehr als 20 Jahren prügelt sich Thomas F.* vornehmlich im Umfeld von Fußball-Spielen. Er geht ins Stadion, weil er Action sucht. Die findet er bei Schlägereien. Doch der zweifache Familienvater glaubt zu wissen, wie man Hooligans in den Griff bekommen kann.

Hooligans wüten in der Bahn
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Hooligans wüten in der Bahn

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Foto: Rheinbahn

Seine letzte Schlägerei ist geradedrei Wochen her. Es war vor demFußball-Derby zwischen dem 1.FCKöln und Borussia. Tatort Marathonwiese,unmittelbar vor demStadion. Mehrere hundert Männerrennen aufeinander zu, prügeln minutenlangaufeinander ein und verschwindenso schnell, wie sie gekommensind. "Ich würde einemKölner nie wieder die Hand geben",sagt Thomas F.*. "Aber ich bindankbar, dass es noch scheppert,wenn wir aufeinandertreffen."Thomas F. ist ein Hooligan.

Angefangen hat alles in den AchtzigerJahren. Thomas F. ging zumBökelberg, wie jeder andere 13-Jährige— mit Schal, Mütze und Fahne.Doch auf der Ostgeraden zu stehen,war dem heute 39-Jährigen irgendwannzu langweilig. "Ich habe gesehen,wie die in der Nordkurve abgegangensind", erinnert er sich. "Ichwollte Action. Und da war Action."

Spiel für Spiel orientierte er sichnäher an den Fanblock hinter demTor. "Als Pimpf habe ich langsamgemerkt, wie der Bökelberg funktioniert."Wo stehen die Braven?Und wo stehen die Bösen? "Als ichendlich in der Nordkurve, ganz untenin Block 16 angekommen war,habe ich eine Saison gebraucht, umdie Hierarchie zu checken." Als Borussiatraf, flog "ich hoch und runterdurch den ganzen Block, hatteüberall blaue und grüne Flecken".Ein Gefühl, das er gut fand.

Thomas F. fuhr immer häufigerauch zu Auswärtsspielen. "Irgendwoin Deutschland hat es immer geknallt",sagt er. Besonders beliebt:Köln, Bremen und das Ruhrgebiet."Da war der Erfolg von Palaver amgrößten." Und ist es immer noch."Früher gab es aber keine szenekundigeBeamten, Hundertschaftenund Video-Überwachungen."Doch die Polizei wurde präsenter."Wir waren nicht mehr unerkannt,man konnte uns lokalisieren. Kameraswaren Zeugen für das, waswir taten." Und das war gefährlich.

Prellungen, Quetschungen, Brüche— es gibt kaum eine Verletzung,die Thomas F. nicht gehabt hat."Wer bei einer Schlägerei dabei ist,der weiß, worauf er sich einlässt."Nur weiß sonst kaum jemand davon."Auf der Arbeit muss man lügen",sagt er. Ein blaues Auge? "Daist mir die Tür vorgeknallt." Ein gebrochenerFuß? "Ich bin die Trepperuntergefallen."

Thomas F. hat zwei Kinder. EinenSohn und eine Tochter, beide sindim Grundschulalter. "Klar spiele ichmit denen und versuche ihnen, einguter Vater zu sein", sagt er. "Wirsind nicht aus Blech und Eisen, sondernhaben Gefühle. Wir heulen,wenn wir traurig sind, und wir lachen,wenn wir glücklich sind. Wirprügeln auch unsere Frauen nichtdurch die Wohnung."

Von seinen Kindern will er dieAusschreitungen bei Fußball-Spielenfernhalten. "Jeder von uns willdas so weit wie möglich weg vonseinen Familien halten", sagt er. seinen Familien halten", sagt er."Wir sind schlechte Vorbilder."

Ändern wollen sie daran abernichts. Warum sie sich prügeln?"100000 Hooligans, 100000 verschiedeneGründe." Ärger im Job,mit der Frau, der Kick, verletzt zuwerden. Sein Grund? "Ich kann keinennennen. Es ist halt Action." Aufdie er nach und nach verzichtet.

Denn in seiner Freizeit wird erimmer mehr eingeschränkt. "Das Stadionverbot interessiert michnicht, dann gucke ich das Spiel inder Kneipe. Geprügelt wird ohnehinnicht im Stadion, sondern aufder An- und Abfahrt." Personenkontrollen,Gewahrsamnahmenund Reiseeinschränkungen müsseman als Hooligan einkalkulieren.

Doch es sind alles Strafen, die annehmbarsind. "Wenn ich Innenministerwäre, würde ich uns so langemürbe machen, bis sich keinermehr in die Nähe von Fußball-Stadientraut." Wie? "Höhere Strafen."200 Euro kann jeder irgendwie auftreiben."Aber wenn sich die Strafenerhöhen, auf 1500 Euro oder nochmehr, dann muss ich gucken, wieich dann noch meine Familie ernähre."

Eine weitere Idee: StärkereKontrollen. "Warum sagt die Polizeinicht einfach, dass sich jeder Hooliganzum Zeitpunkt eines Bundesliga-Spiels auf der Wache meldenmuss? Und wer nicht da ist, wandertfür ein paar Tage in den Knast."Das könne sich keiner erlauben,meint Thomas F. "Ganz auslöschenwird man uns zwar nie", sagt er."Aber wir sind in den Griff zu bekommen."*(Name geändert)

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