Mönchengladbach Ausbildungsverbund jetzt in Familienhand

Mönchengladbach · Die früheren Schlafhorst-Lehrwerkstätten haben einen neuen Eigentümer: Die Firma Oerlikon hat sie an die Familie des Ausbildungsleiters verkauft. Mit der gestrigen Schlüsselübergabe geht eine zweijährige Hängepartie zu Ende.

 Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (v.l.), Ausbildungsleiter a. D. Lutz Wächter, Uwe Model (Oerlikon), Ausbildungsleiter Frank Winkels und Vera und Stephan Kamlowski bei der gestrigen Schlüsselübergabe.

Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (v.l.), Ausbildungsleiter a. D. Lutz Wächter, Uwe Model (Oerlikon), Ausbildungsleiter Frank Winkels und Vera und Stephan Kamlowski bei der gestrigen Schlüsselübergabe.

Foto: Isabella Raupold

Schlafhorst war vorgestern, ist mittlerweile nicht mal mehr der Name einer Bushaltestelle. Oerlikon war gestern, hat den Textilstandort längst aufgegeben. Das Hier und Jetzt sind Vera und Stephan Kamlowski. Sie sind die neuen Gesellschafter der AV Ausbildungsverbund Mönchengladbach GmbH, der ehemaligen Schlafhorst-Ausbildungswerkstatt. Diese geht vom Oerlikon-Konzern damit quasi in Familienhand über - Vera Kamlowski ist die Schwester von Ausbildungsleiter Frank Winkels. Bei der gestrigen symbolischen Schlüsselübergabe sprach sie von einer "Herzensangelegenheit", davon, in die "Schatzkiste" künftig noch eine "Perle" legen zu wollen. Und davon, endlich Ruhe reinzubringen.

Denn hinter Ausbildern, Auszubildenden und Kunden liegt eine zweijährige Hängepartie. Die skizzierte gestern Uwe Model, Personalleiter von Oerlikon Textile: "Viermal seit April 2013 waren wir kurz davor, den Verbund zu verkaufen, viermal scheiterten wir." Zeitarbeitsfirmen, Großunternehmen und gemeinnützige Organisationen zeigten Interesse, selbst ein Management-Buy-out war im Gespräch. Ob Saurer-Schlafhorst in Übach-Palenberg, wohin die letzten Gladbacher Schlafhorst-Mitarbeiter gewechselt waren, oder Oerlikon in Remscheid, das vom einst stolzen Gladbacher Schlafhorst-Imperium nur noch den Ausbildungsverbund übrigbehalten hatte: Alle waren sich einig, dass im Verbund großartige Arbeit geleistet wird, man es aber keinem Azubi zumuten kann, aus Übach-Palenberg oder Remscheid dorthin zu pendeln. Also musste der Verbund verkauft werden. Das ist jetzt gelungen: Die mehr als 60 Kunden, die rund 165 Auszubildenden sowie die Ausbilder können endlich aufatmen.

Das begrüßte gestern auch Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners: "Ich bin mir ziemlich sicher, in meiner Zeit als Redakteur bei der Rheinischen Post damals über die Gründung des Ausbildungsverbunds geschrieben zu haben." Und nein, er habe nichts mit der früheren Schlafhorst-Inhaberfamilie Reiners zu tun, er habe seinen Stammbaum sogar einmal dahingehend durchforsten lassen. Als der Verbund 1994/95 gegründet wurde, geschah dies aus der Not heraus: Schlafhorst baute Personal ab, und die Zahl der Azubis war prozentual an die Mitarbeiterzahl gekoppelt. Lutz Wächter, damaliger Ausbildungsleiter, erinnerte sich gestern: "Es wäre eine Schande gewesen, die Werkstätten und die hoch qualifizierten Ausbilder nicht mehr zu nutzen." Also kam die Idee auf, die Werkstätten auch für andere Firmen zu öffnen. Reiners + Fürst war die erste, die das Angebot nutzte, später wurden beispielsweise auch einmal 30 Azubis von Nexans auf einen Schlag übernommen. Beizeiten kamen die Bereiche Umschulung und Fortbildung hinzu. Auch Wächters Nachfolger Frank Winkels begrüßt die Weiterführung des Schlafhorst-Vermächtnisses. "Mich ärgert immer, wenn es heißt: Schlafhorst in Mönchengladbach ist tot, denn das stimmt so nicht." Nicht nur etliche Firmen wie SET Electronics, MBH Metallconcept, CDL Präzisionstechnik und S+G Industrieschreinerei seien aus dem Unternehmen hervorgegangen und böten noch heute zahlreiche Arbeitsplätze an - sondern auch der Ausbildungsverbund. "Ausbildung ist oft ein fast familiäres Umfeld", sagte Jan Röttgering von Saurer-Schlafhorst aus Übach-Palenberg. Die Kamlowskis - Stephan Kamlowski betreibt als Rentenberater und Rechtsbeistand zwei Standorte in Gladbach und Neuss - wollen dies, gemeinsam mit Frank Winkels, künftig noch stärker betonen. "Wir wollen in neue Berufe reingehen, mehr als bisher in die Schulen gehen, hier Meister rausgehen lassen", sagte Vera Kamlowski. Auch die Zusammenarbeit mit Jobcenter, Arbeitsagentur, Unternehmerschaft und REFA-Bezirksverband solle intensiviert werden.

(RP)
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