Mönchengladbach Auszeichnung für "200 Tage Fahrradstadt"

Mönchengladbach · Norbert Krause erhielt für die von ihm erfundene Aktion "200 Tage Fahrradstadt" den Deutschen Fahrradpreis. Doch ihr Ende naht. Der Projektdesigner will die Aktion in diesem Jahr abschließen - um dann etwas ganz Neues zu starten.

Es war an einem Vorfrühlingstag vor fast genau drei Jahren. Gerade war ein Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) erschienen, der Mönchengladbach ein vernichtendes Zeugnis ausstellte: Unter 38 Großstädten mit mehr als 200.000 Einwohnern stufte der Interessensverband Gladbach damals auf Platz 36 ein - bei Fußballern ein Abstiegsrang. Ab in die radelnde Bedeutungslosigkeit. Da geht nichts mehr.

Der Projektdesigner Norbert Krause war anderer Ansicht. Er berichtete seinerzeit in seinem Eickener Atelier über eine Initiative, die er mit den Freimeistern und der Gestalterin Hannah von Dahlen starten wollte: die Aktion "200 Tage Fahrradstadt". Seine Gäste bekamen von ihm ein blaues Logo und die Empfehlung: "Kleben Sie es auf Ihr Fahrrad. Vor allem: Fahren Sie Rad!" Krause machte es dann vor.

Und heute: Die Stadt und ihre Bürger haben tatsächlich ein anderes Verhältnis zum Fahrrad als Fortbewegungsmittel gefunden. "200 Tage Fahrradstadt" hat viel bewegt. Und das wurde am Donnerstagabend auch andernorts gewürdigt: Norbert Krause bekam für die Aktion den Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie "Kommunikation". Die Jury lobte Krause für sein "außergewöhnliches Engagement" und stellt unter anderem heraus: Er habe es mit "viel Humor und Geschick" verstanden, auch die Stadt zu begeistern, die sich nicht nur als "Mitmacher", sondern inzwischen als "Macher" auf ein neues Niveau begeben habe. Mit Stadt ist da nicht irgendein abstraktes Gebilde gemeint. Sondern die Stadtverwaltung und die Politiker. Fahrrad und Radfahrer werden von ihnen seit der Aktion nicht mehr als lästiges Beiwerk angesehen, sondern in viele planerische Überlegungen wesentlich mehr als früher einbezogen.

Was haben Krause und seine Mitstreiter anders gemacht? Alles. Denn sie setzten neu an: Statt über die schlechte Situation von Radlern in der Stadt zu lamentieren, zu jammern und ellenlange Forderungen mit Investitionen im Millionenbereich für Radwege zu fordern, zäumte die Gruppe ihr Projekt anders auf. Nicht der Politiker, der über einen Radweg oder ein Radwegenetz beschließt, war ihnen wichtig - sondern die Bürger, die sich als Radfahrer solidarisieren sollten. Der Hintergedanke: Wer als Radfahrer die vorhandene Infrastruktur nutzt, verbessert auch den Umgang mit ihr. Letzten Endes wird dadurch die Fahrrad-Infrastruktur besser.

Heute wissen alle: Die Rechnung ist aufgegangen. Wenn die Aktion zum "Rundradeln" einlud und die Mindestzahl von 16 Radfahrern die Fahrbahn einer Straße blockierten, mögen das nicht alle Autofahrer gut gefunden haben. Das hatte etwas Anarchistisches, war eine Art Protestaktion. Doch Krause wollte zeigen, dass der Straßenraum nicht nur Autofahrern gehört. Es gab Nützliches - die Fahrradputz-Aktion "Rausputz" -, Lustiges wie das Quartettspiel "21 Gänge-Sticht!", Fahrrad-Kultur - die Poetry-Slam-Fahrradtour "Räderey" - und Kurioses wie das Tandem-Speed-Dating. Die Aktion lebte dank vieler kreativer Angebote, das Projekt funktioniert so seit Jahren. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek lobte bei der Preisübergabe die "200 Tage Fahrradstadt" und Krause: Er habe viel dafür getan, dass sich in Köpfen von Politikern und Bürgern etwas zum Positiven verändert habe.

Auf dem Höhepunkt die Aktion zu beenden - das könnte jetzt die Folge sein. "Wir machen in diesem Jahr noch zwei Sachen, dann ist Schluss", sagte Krause gestern. Um aber gleich hinzuzufügen: "Wir arbeiten an einem neuen Projekt. Das hat irgendwas mit Mobilität zu tun." Eben ein typischer Krause.

(RP)
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