Mönchengladbach Bach-Passacaglia mit Walking-Bass

Mönchengladbach · Sebastian-Gahler-Trio verjazzt Messiaen, Bach und Alain in St. Helena.

Jazz in der Kirche ist noch nicht alltäglich, obwohl eine erfolgreiche Konzertreihe ebendiesen Titel trug. Der St.-Helena-Kantor Reinhold Richter hatte nun die Idee einer Gegenüberstellung, die er im jüngsten Konzert der Reihe "Geistliche Musik in St. Helena" verwirklichte. "Orgel trifft Jazztrio - Bach & Co." lautete der Titel dieses Projekts, für das Richter das Sebastian-Gahler-Trio aus Düsseldorf gewinnen konnte.

Zwei Alben hat das Profi-Trio mit Nico Brandenburg (Kontrabass), René Marx (Schlagzeug) und Sebastian Gahler (Klavier) veröffentlicht, vorwiegend mit Eigenkompositionen sowie Jazzstandards. In diesem Konzert waren die Eigenkompositionen gar Uraufführungen. Richter hatte Gahler eine Auswahl an Stücken geschickt, aus denen dieser fünf aussuchte und bearbeitete.

Die Zuhörer lauschten einem "nicht ganz gewöhnlichen Programm", wie Reinhold Richter ankündigte. Dabei wurde dem jeweiligen Original, von Reinhold Richter an der Orgel vorgetragen, das Jazz-Arrangement gegenüber oder auch anbei gestellt. Werke von Olivier Messiaen standen im Zentrum des Konzerts. Warum Messiaen? "Ich habe immer schon Antennen für die Musik Messiaens gehabt", sagte Gahler. In die Klangfarbenwelt dieses Komponisten wollte er gerne tiefer einsteigen, und dieses Konzert gab ihm die Möglichkeit dazu.

Die Dreiteilung des ersten Stücks "Die Jungfrau und das Kind" bot die Variante des abwechselnden Spiels nach dem Prinzip der A-B-A-Form, Gahler-Trio - Orgel - Gahler-Trio. Der Pianist Gahler nahm die Melodik des betreffenden Originals auf und verfremdete sie mit Jazz-Harmonien. Dabei gab es keine platte Eins-zu-eins-Adaption, sondern Gahler hat eigenständige Kompositionen geschaffen, die den musikalischen Gehalt der Originale in eine neue ästhetische Form übertragen. Dabei lehnte er sich mal an die strukturelle Gestalt, mal an die Rhythmik oder Harmonik an. Die Bach'sche Passacaglia c-Moll, exzellent von Reinhold Richter interpretiert, bot mit der wiederkehrenden Basslinie, die an den Walking-Bass im Jazz erinnert, und der modern anmutenden Harmonik die perfekte Vorlage für ein Jazz-Arrangement. Bach, den Meister der Diminution (Verzierungskunst), herauszufordern, ist immer gewagt - hier gelang das eindrucksvoll. Gahler löste sich immer weiter vom Original und spielte sich so von Bach frei.

Vom angekündigten Tornado in Alains Stück "Litanies" ließ sich das Publikum sowohl im Original als auch in der Jazz-Bearbeitung gern umwirbeln und in die Lüfte ziehen. - Ein faszinierendes Konzert!

(apo)
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