Denkanstoss Behaltet die Vergangenheit im Blick!

Mönchengladbach · Er ist ein "Rheer Jung": Pfarrer Olaf Nöller ist in Rheydt aufgewachsen und kennt den Stadtteil wie seine Westentasche. Er sieht zahlreiche positive Veränderungen. Aber er mahnt, Spuren der Stadtgeschichte nicht zu ignorieren. Dies sei schon geschehen.

 Diese Studie zeigt, wie das geplante Verwaltungsgebäude aussehen könnte - eine Verzahnung historischer Elemente mit Neubauten. Die städtischen Planer haben die Zeichnung erstellt, um die Wirkung darzustellen. Bevor gebaut wird, gibt es erst noch einen Architekten-Wettbewerb.

Diese Studie zeigt, wie das geplante Verwaltungsgebäude aussehen könnte - eine Verzahnung historischer Elemente mit Neubauten. Die städtischen Planer haben die Zeichnung erstellt, um die Wirkung darzustellen. Bevor gebaut wird, gibt es erst noch einen Architekten-Wettbewerb.

Foto: Zeichnung. Stadtplanung MG

Rheydt Es herrscht Aufbruchstimmung in Mönchengladbach, und das ist gut so. Die Große Koalition arbeitet ohne störende Mahlgeräusche, die Arbeitslosenzahlen sinken, Touristen kommen gerne hierher, und auch unser hübsch-hässliches Stadtbild wird verbessert durch einen Masterplan und interessante Projekte, die im Bau oder in der Planung sind. Dass nun auch das Rathaus Rheydt im Blick ist, das freut mich, den "Rheer Jung", ganz besonders! Was für eine Chance, durch die Konzentration der Stadtverwaltung den am Marktplatz eingeleiteten Wiederaufstieg der Rheydter City weiter zu befeuern.

Allerdings, ich habe auch Befürchtungen! Planerischer Überschwang und Gestaltungswille von Rat und Verwaltung könnten dazu führen, dass erneut Spuren der Stadtgeschichte verschwinden. Bei der Marktplatz-Neugestaltung war das leider der Fall: Das Stadtkassenportal und die schöne Linde vor dem Rathaus wurden beseitigt.

Denkanstoss: Behaltet die Vergangenheit im Blick!
Foto: Raupold Isabella

Und beim Umfeld der Hauptkirche wurde nicht berücksichtigt, dass dort mehr als 800 Jahre lang ein Friedhof war. Die Auftraggeber hatten - aus Unkenntnis? - nicht daran gedacht, den ausführenden Architekten entsprechende Vorgaben zu machen. Als in der Bürgerschaft Alarm geschlagen wurde, da war's dann leider zu spät.

Die kürzlich veröffentlichte Baumassenstudie für die Rathauserweiterung ließ mich stutzen. Sie verriet mir, dass es Überlegungen gibt, das heutige Verwaltungsgebäude zwischen dem historischen Rathaus und dem hoffentlich (!) denkmalgeschützten Bezirkskommando abzureißen und durch einen hochmodernen Neubau zu ersetzen. Ich bin dagegen, denn damit würde die letzte noch vor den Kriegszerstörungen entstandene Platzfront unnötig zerrissen. Vermutlich wussten die Planer nicht, dass es sich trotz der heute nichtssagenden Rauputzfassade um ein stadtgeschichtlich hochinteressantes Gebäude handelt, dessen ehemalige Proportionen immer noch erkennbar sind.

 Das Stadtkassenportal verschwand und wird nach Bürgerprotesten bald am Theater aufgebaut.

Das Stadtkassenportal verschwand und wird nach Bürgerprotesten bald am Theater aufgebaut.

Foto: Reichartz

Die Rheydter Chronik von 1897 berichtet, dass die Gründung des "Königlichen Amtsgerichts" im Jahr 1879 für die aufstrebende Stadt ein Zugewinn war. Es handelt sich um besagtes Gebäude, das am 1. September 1880 mit seiner reizvollen spätklassizistischen Putzfassade eröffnet wurde. Neben dem etwa gleichzeitig erbauten evangelischen Pfarrhaus am Markt war dieses Gerichtsgebäude eines der ersten repräsentativen Bauwerke im Stadtzentrum. Um 1900 wurde es vom neu erbauten Rathaus und dem östlich angrenzenden "Königlichen Bezirkskommando" eingerahmt. Irgendwann zwischen 1906 und 1910 stockte man das Gebäude noch auf und setzte nun eine gediegene Fassade im Stil des Neoklassizismus davor, die beim Wiederaufbau leider "rasiert" wurde.

Ich wünsche mir, dass man dem bei der Erarbeitung von Wettbewerbsvorgaben Rechnung trägt. Vermutlich wäre es kein Problem, die Hausfront wieder herzustellen - detailgetreu oder kritisch rekonstruiert. Sie würde die Zusammengehörigkeit des Ensembles unterstreichen und zudem einen reizvollen Kontrast zur 1950er-Jahre-Platzarchitektur bilden. Wie es dahinter aussieht, das sei den Architekten überlassen. Sie werden sicherlich gründlich entkernen, um die Altbauten den Erfordernissen einer bürgernahen Verwaltung anzupassen. Meine grundsätzliche Bitte bei allen Projekten lautet: "Forscht erst nach, bevor ihr den Bagger bestellt!" Am Rheydter Marktplatz und auch anderswo in unserer Stadt ist zu viel abgesägt und weggerissen worden.

OLAF NÖLLER IST EVANGELISCHER PFARRER DER RHEYDTER HAUPTKIRCHE

(RP)
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