Mönchengladbach Bei Hensen braut sich wieder was zusammen

Mönchengladbach · Drei Bier-Liebhaber haben die Hensen-Brauerei wiederbelebt. Erstmals seit 1975 wird in Waldhausen wieder Bier produziert -mit neuem Rezept und alter Tradition.

 Neustart mit Alt-Bewährtem: Die Biersorten Indian Pale Ale, Pils und Alt werden bisher abgefüllt, bald kommt noch Coffee Stout hinzu.

Neustart mit Alt-Bewährtem: Die Biersorten Indian Pale Ale, Pils und Alt werden bisher abgefüllt, bald kommt noch Coffee Stout hinzu.

Foto: Isabella Raupold

Es kann schon mal 42 Jahre dauern, bis ein Bier fertig ist. Aber dann muss es auch gut sein, findet Jonas Rödig. Der Bierbrauer-Meister hat ein klar definiertes Lieblingsbier: "Freibier." Bei ihm ist ein wesentliches Element der Qualitätssicherung die Eigenverkostung. Und sein Kollege Patrick Schroeder sagt, er könne sich in sein eigenes Altbier reinsetzen.

Man glaubt den beiden alles, wenn's um Bier geht. Rödig (30) und Schroeder (39) sind wahre Bier-Liebhaber, und vermutlich sind sie genau die Richtigen, die eine versiegte Mönchengladbacher Bierquelle wieder sprudeln lassen. Das originale Hensen-Bier in der gleichnamigen Brauerei in Waldhausen ist zurück -42 Jahre, nachdem dort die letzten Gärtanks abgebaut worden sind und in der Zwischenzeit in der Gaststätte Hensen-Bier aus der Bolten-Produktion ausgeschenkt wurde. Zwei Bierfreunde haben zusammen mit Brauerei-Inhaber Norbert Kamps (56) das Ur-Gladbacher Bier wiedererfunden; und zwar im einzigen Gebäude, das von der traditionsreichen Brauerei nach dem Abriss in den Jahren 1981/1982 noch übrig geblieben ist.

 Bierbrauer Patrick Schroeder, Inhaber Norbert Kamps und Brauerei-Meister Jonas Rödig (von links) lassen die Gladbacher Bier-Legende wieder aufleben.

Bierbrauer Patrick Schroeder, Inhaber Norbert Kamps und Brauerei-Meister Jonas Rödig (von links) lassen die Gladbacher Bier-Legende wieder aufleben.

Foto: Raupold Isabella

Mönchengladbach war einmal eine Bierstadt. Im 18. und 19. Jahrhundert waren es bis zu 144 Gaststätten und Brauereieinrichtungen, von denen die allermeisten aber nur für den privaten Zweck oder den eigenen Zapfhahn Bier herstellten. Hensen war unter diesen Brauereien immer die größte. Im 20. Jahrhundert wurde das Gladbacher Bier bis nach Aachen, Köln und Düsseldorf geliefert, 1927 betrug die Produktion zwischen 80.000 und 100.000 Hektolitern pro Jahr. Außerdem war die Rede von "70 glasemaillierten Tanks mit einem Fassungsvermögen von je 160 bis 170 Hektolitern." Hensen verfügte über mehrere tausend Versandfässer, die jeweils ein Fassungsvermögen zwischen 30 und 150 Litern hatten. Ausgeliefert wurden die Fässer bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts mit Droschken und der Eisenbahn. Später mit einem "beträchtlichen eigenen Fuhrpark bestehend aus Lkw".

Von diesem Bier-Boom war bis vor kurzem in Mönchengladbach gar nichts mehr übrig. In Korschenbroich braut Bolten, und die ehemalige Hannen-Brauerei in Neuwerk hat vor einigen Jahren Oettinger übernommen. Aber nach einem Ur-Gladbacher Bier dürstet es in der Stadt schon lange. Fanden auch Norbert Kamps, sein Neffe Patrick Schroeder und dessen früherer Kollege Jonas Rödig und bauten mit einem Jahr Planung und Vorbereitung die Brauerei von neuem auf.

Nur ein altes Rezept, das gab es nicht. Brauchten die beiden Brauer auch nicht. Für die neue Rezeptur von Pils und Alt brauchten sie nur wenige Minuten. "Wir haben genau die Rezepte aufgeschrieben, die wir selbst gerne trinken", sagt Jonas Rödig. "Wir wollten keinen Standard, nichts kopieren", sagt Schroeder. Das Pils ist sehr herb geworden, sehr hopfenbetont. Genauso das Alt, das eine leicht rötliche Farbe bekommen hat. Als dritte Sorte gibt es Indian Pale Ale in der Abfüllung. Eine wahre Spezialität ist das neue Coffee Stout, ein sehr dunkles Bier mit Kaffee-Aroma, das es bisher noch nicht in Flaschen gibt. Grundsätzlich gilt: Filtriert wird gar nichts.

Eine Massenproduktion wie damals, das wird Hensen nicht wieder werden. Es ist Handwerk. Bier-Handwerk. "Wenn's gut läuft, schaffen wir 100 Flaschen in der Stunde", sagt Patrick Schroeder. Denn jeder Produktionsschritt ist Handarbeit. Das Befüllen, die Etikettierung, der Kronkorken, und das Befüllen der bei Hephata gefertigten Holzkisten. Deshalb ist das Bier im Moment auch noch eine Rarität. Beim ersten Werksverkauf vor eineinhalb Wochen war fast alles innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Am Montag meldete auch eine Gladbacher Supermarkt-Kette den Ausverkauf. Sie stellen es auch klug an: Das neugestaltete Etikett, das sich stark am alten Logo anlehnt, aber auch einige Neuerungen beinhaltet, ist im Retro-Chic designt. Es passt voll in den Zeitgeist, der sich auf Alt-Bewährtes besinnt.

In Kürze soll die Gastronomie in dem denkmalgeschützten Gebäude wieder eröffnen, das übernimmt die Hasenbande, die im Kellergeschoss das Burger-Lokal "Rabbit Hole" betreibt. Und bald soll es an zwei Tagen in der Woche einen eigenen Werksverkauf in der Altstadt geben, erstmals zum Altstadt-Trödel am Sonntag, 30. April. Ansonsten können es Durstige auch jeden Tag bis etwa 16 Uhr in der Brauerei selbst versuchen, auch wenn der Vorrat wegen der großen Nachfrage im Moment stark eingeschränkt ist.

Der Standort der Brauerei über dem Gladbach hat im Übrigen einen historischen Grund. Gründer Ludger Hensen schöpfte das Brauwasser dereinst über einen Brunnen aus dem Gladbach. Ganz soweit sind die Neu-Gründer nicht, dafür bräuchte es eine teure Aufbereitungsanlage. Bis dahin, finden sie, tut es auch gutes Gladbacher Leitungswasser.

(RP)
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