Susanne Goga Berlin bietet Platz für mehrere Krimiserien

Mönchengladbach · Die Gladbacher Autorin spricht über ihren neuen Leo-Wechsler-Roman, Mordwerkzeuge und Vergleiche mit Volker Kutscher.

 Susanne Goga

Susanne Goga

Foto: Myriam Topel

Lesen Sie eigentlich, was andere Leute von Ihren Werken halten?

Susanne Goga In der Regel schon, weil es wichtig ist, was gefällt und was nicht gefällt. Ich habe neulich gelesen, dass sich die Leo-Wechsler-Reihe auch zu einer Familiengeschichte entwickelt hat. Das stimmt, war mir aber gar nicht so bewusst. Ich finde das schön.

Was ärgert Sie?

Goga Wenn jemand mutmaßt, ob ich von einem Kollegen abgekupfert habe oder umgekehrt. Das Berlin der Weimarer Republik bietet sicher Platz für mehrere Krimiserien, aber ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass ich 2005 mit "Leo Berlin" die erste Serie gestartet habe.

Viele loben Ihre Reihe als tolle Milieustudie, interessanten historischen Roman, kritisieren aber, dass der Kriminalfall aber an den Rand gerät. Was ist Ihnen wichtiger?

Goga Damit kann ich leben. Ich betrachte mich in erster Linie als Autorin historischer Stoffe, und erst in zweiter Linie als Krimiautorin, auch wenn ich natürlich eine spannende Geschichte erzählen möchte. Aber ich könnte mir zum Beispiel im Moment nicht vorstellen, einen Gegenwartskrimi zu schreiben. Mich hat das historische Element immer gereizt.

Wie genau muss ein historischer Krimi sein?

Goga Sehr genau. Ich recherchiere detailliert über historische Ereignisse wie den Pogrom im Scheunenviertel oder erste Ausschreitungen der SA. Ich würde auch nichts ändern, nur damit es besser in die Geschichte passt. Die Handlung muss sich der Historie unterwerfen. Natürlich denke ich mir auch mal ein Lokal oder eine andere Örtlichkeit aus, die besser passen - das ist meine Freiheit.

Wie oft sind Sie in Berlin, um das Gespür für die Stadt zu bekommen?

Goga Ich war nie lange da, aber ich fahre sehr oft hin. Als ich für "Es geschah in Schöneberg" recherchiert habe, bin ich natürlich in Schöneberg über den Regenbogen-Kiez gelaufen. In der Weimarer Republik war Schöneberg ein Ort, in dem sehr viele Homosexuelle gelebt haben. Dann kam die Nazi-Zeit, aber danach hat es sich wieder genau in die Richtung entwickelt. Man bekommt auch heute noch ein Gefühl dafür, wie es früher dort gewesen sein mag. Ich war zum Beispiel in einem Bio-Supermarkt und habe erst später festgestellt, dass sich in genau dem Haus ein ganz berühmtes Lokal namens "Eldorado" befand.

Warum spielt Ihr neuer Krimi in Schöneberg?

Goga Es geht um einen Homosexuellen, da war es naheliegend, dass er in Schöneberg in der Gegend um den Nollendorfplatz wohnt.

In Ihren bisherigen Wechsler-Romanen ging es um Wunderheiler, Tänzer, Künstler, Filmregisseure - jetzt ist die Modeindustrie an der Reihe. Was ist der Plot?

Goga Ein Modeatelier am Kurfürstendamm veranstaltet eine Modeschau im Romanischen Café, und dabei wird ein Anschlag auf zwei Mannequins verübt. Ihre Kleider wurden mit einem Hautgift präpariert. Leo Wechsler soll ermitteln, was dahinter steckt. Kurze Zeit später wird in Schöneberg ein Mann in seiner Wohnung erschlagen aufgefunden. Und am Tatort wird eine Broschüre des Modeateliers gefunden.

Hautgift als Tatwaffe - Sie haben immer ausgefallene Mordwerkzeuge wie einen Jade-Buddha, Rosenwasser-Spender mit Paternostererbse.

Goga Ich habe mich wieder von einem Toxikologen beraten lassen.

Ist Ihnen Erschießen zu langweilig?

Goga (lacht) Nein. Aber bei den Mannequins geht es nicht darum, jemanden zu töten. Es soll ja nur ein Anschlag verübt werden.

Sind Sie zufrieden mit "Es geschah in Schöneberg"?

Goga Ja. Solange mir bei einer Lesung nicht doch noch Fehler auffallen sollten, die man in der nächsten Auflage korrigieren muss.

Was entscheidet darüber, ob Sie zufrieden sein können: Wenn das Ergebnis Ihnen selbst gefällt, wenn die Reaktionen positiv sind, oder wenn es erfolgreich ist?

Goga Im Idealfall kommt alles zusammen, aber eben nicht immer. Mein Roman "Die Sprache der Schatten", an dem ich sehr hänge, hat sich am wenigsten verkauft, obwohl es gute Kritiken und einen Preis dafür gab. Ich bin damit trotzdem sehr zufrieden. Erfolg ist in erster Linie die Garantie, dass man weiterschreiben kann.

Zwischendurch sah es so aus, als könnten Sie an Leo Wechsler nicht mehr weiter schreiben.

Goga Ja. Die beiden ersten Bände sind als dtv-Premiumausgaben nicht besonders gut gelaufen. Nach einigen Jahren Pause ergab sich aber doch die Chance, einen dritten Band zu schreiben, als Taschenbuch und mit neuer Covergestaltung. Das war "Die Tote von Charlottenburg" - ein großer Erfolg beim Publikum. Und jetzt sind es mittlerweile schon fünf Bände.

Wann ist die Figur Leo Wechsler auserzählt? Bis zu welcher Zeit kann man die Geschichte fortführen?

Goga Früher habe ich daran gedacht, 1933 aufzuhören. Mittlerweile frage ich mich aber: Warum? Ich kann mir vorstellen, darüber hinaus zu erzählen. Es hängt davon ab, wie lange die Leute über Leo lesen wollen. Ich habe mir keine zeitliche Grenze mehr gesetzt. Es gibt durchaus Krimis, die in der Nazi-Zeit spielen, nur stammen die meisten von ausländischen Autoren. Jetzt geht Volker Kutscher mit seinem Kommissar Gereon Rath in die Zeit, und ich vielleicht irgendwann auch mit Leo Wechsler.

Haben Sie den literarischen Schauplatz "Berlin in der Weimarer Republik" geöffnet? Oder Volker Kutscher?

Goga Wir beide haben es mit unseren Reihen getan. Ich hatte die Idee dazu 2003. Es gab damals so gut wie gar keine Kriminalromane, die in dieser Zeit spielten. Da waren wir beide durchaus Pioniere.

Kennen Sie sich eigentlich?

Goga Wir stehen nicht in Kontakt, sind uns aber bei einer Lesung in Wiesbaden begegnet und haben uns unterhalten.

Tom Tykwer will Volker Kutschers Reihe mit einem Millionen-Budget und Unterstützung von ARD und Sky zu einer Serie verfilmen. Hätten Sie das auch gerne für Ihre Reihe gehabt?

Goga Das hätte mir auch sehr gut gefallen, da bin ich ganz ehrlich. Ich liebe Bücher, und ich liebe Filme. Und beides zusammenzubringen, ist die Idealvorstellung.

Welchen Schauspieler hätten Sie gerne in der Rolle des Leo Wechsler?

Goga Benedict Cumberbatch. Ich bin ein großer Fan von ihm. Wir sollten der BBC Bescheid sagen (lacht).

Leo Wechsler ist doch noch nicht übersetzt worden.

Goga Nein, mein Traum wäre, wenn es ins Englische übersetzt würde. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben.

ANDREAS GRUHN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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