Mönchengladbach Bizarre Erlebnisse mit July im Hotel

Mönchengladbach · Die neue Atelierstipendiatin der Stadt, Rosa Sijben, zeigt im Alten Museum die erste Folge einer Serie Interventionen. Bei ihrer Performance # 1. Narrowcast führt sie je zwei Besucher durch das sonst gesperrte Haus an der Bismarckstraße.

 Spieglein, Spieglein in der Hand - Rosa Sijben und David Bernstein lotsen den Besucher mit Blicken aus Handspiegeln durch einen Raum des Alten Museums.

Spieglein, Spieglein in der Hand - Rosa Sijben und David Bernstein lotsen den Besucher mit Blicken aus Handspiegeln durch einen Raum des Alten Museums.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Der Lebensalltag der Menschen, das ist das Revier, durch das Rosa Sijben ihre künstlerischen Netze spannt. Die Stipendiatin der Wilberz-Stiftung, die seit Januar im städtischen Atelierhaus Steinmetzstraße arbeitet, präsentiert mit der Aktion # 1. Narrowcast ein erstes Ergebnis ihrer Arbeit in Gladbach. Sechs weitere werden folgen, verheißt die 25-jährige Amsterdamerin.

In fließendem Englisch begrüßen die Niederländerin Rosa Sijben und ihr Künstlerkollege, der in Amsterdam lebende Amerikaner David Bernstein, strahlend den Besucher am Eingang des BIS. Nein, es müssen stets zwei Besucher sein, die sich für die Teilnahme an der Performance im Rahmen der Reihe "Things are happening" im Kulturbüro anmelden. Die jeweils halbstündigen Termine (noch bis 17. April täglich zwischen 14 und 20 Uhr) vergibt das städtische Kulturbüro (Tel. 02161 25-3953; Mail: co-mg@moenchengladbach.de).

Während wir, RP-Fotograf Detlef Ilgner und ich, noch rätseln, was Sijben wohl mit "Narrocast" meint - Datenversand an eine ausgesuchte Klientel (im Unterschied zu "Broadcast") -, sind wir auch schon im Spiel. David Bernstein reicht uns je einen farbigen Gegenstand aus festem, geschliffenem Kunststoff, der an einen modifizierten Faustkeil denken lässt - oder an eine Fernbedienung. Den halten wir beim Rundgang durch das ehemalige Museum beständig in der Hand.

Kurz erwähnt Rosa - die Niederländerin lässt sich duzen -, dass vor fast sieben Jahren die Kunstsammlerin Hiltrud Neumann im Haus Bismarckstraße 97 eine Ausstellung ihrer Sammlung anlässlich ihres 70. Geburtstages zeigte. "Damals traten erstmals statische Probleme im Treppenhaus zutage", sagt Rosa und berichtet, dass Ausstellungen seither in dem Haus verboten sind. Ausnahmen wie "Narrocast" lässt das Gebäudemanagement der Stadt zu. Denn dabei betreten jeweils nur die beiden Künstler und zwei Performance-Gäste das Museum a.D.

Rosa Sijben stellt uns eine abwesende Freundin der Sammlerin Neumann vor. Sie trägt den Namen July (und ist eine erfundene Gestalt, wie Hiltrud Neumann bestätigt). July arbeitet als Zimmermädchen in diesem Haus, das sich beim Rundgang als recht sonderbares Hotel entpuppt. In einer Vitrine liegt ein blauer Schlauch, offenbar Teil eines Staubsaugers, in anderen Glasvitrinen nebenan erblicken wir ein PC-Ladegerät neben chinesischen Essstäbchen, Salzstangen und hölzernen Eisstielen, welche die Künstlerin vor unseren Augen zu einem Muster arrangiert, wie sonst Handtücher in Hotels zusammengelegt werden. Jedenfalls will die Stipendiatin uns das weismachen.

Im ersten Obergeschoss bekomme ich ein Transistorradio in die Hand gedrückt, nun übernimmt vorübergehend David Bernstein die wortreiche Führung. Dabei fixiert er sein Gegenüber über einen vorgehaltenen Handspiegel. Was irritiert: Manche Gegenstände, von denen er oder Rosa redet, sind real vorhanden, von anderen wird dies nur behauptet. Es ist Prinzip dieser Aktion, dass vieles vage bleibt. Das Radio führt mich in eine Raumecke mit einer quadratischen Kreidemarkierung auf dem Boden. Und da macht es klick - hier kann ich Radio Eicken hören. So kommt als Unterstützer von Narrowcast der Gladbacher Künstler Norbert Krause ins Spiel.

Was July in anderen Räumen, etwa in der möblierten Wohnung unterm Dach, erlebt, führen Rosa und David auch szenisch vor. Sie legen sich in Punktspiegelformation nebeneinander und verschränken jeweils die Finger der linken Hände. Als Versinnbildlichung dessen, was auch eine Zeichnung an der Wand darstellt. Gesungen wird auch, besonders klangvoll von Rosa. Dagegen schaltet David bei der Führung vom Englischen zwischenzeitlich um in eine Fantasiesprache, die an afrikanische Sprachwurzeln denken lässt. Eifrig nickend versichern wir ihm: "Ja, wir haben dich nicht verstanden! Aber es klingt fantastisch." - Fantasie ist das Zauberwort dieser Intervention, bei der sich Ausstellungsführung, erzählte Geschichte, Theater, Musik und Pantomime schräg ineinander verhaken.

Und July? Sie erreicht, dank der Hilfe eines geheimnisvollen, älteren Herrn, ihr Ziel und wird Direktorin eines 400-Zimmer-Grandhotels.

(RP)
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