Mönchengladbach Blaue Fahrt voraus

Mönchengladbach · Auf Gladbachs erster Fahrradstraße sollen Radfahrer entspannt durch die Stadt radeln können. Wir haben die "Blaue Route" getestet.

 Auf der Fahrradstraße dürfen unsere Reporter Lisa Kreuzmann und Yannik Bergs nebeneinanderfahren. Das müssen Autofahrer künftig aushalten.

Auf der Fahrradstraße dürfen unsere Reporter Lisa Kreuzmann und Yannik Bergs nebeneinanderfahren. Das müssen Autofahrer künftig aushalten.

Foto: Reichartz

Der schwarze BMW fährt artig hinterher. Kein Drängeln, kein Hupen, kein nervöses Gasgeben. In der Viktoriastraße gilt ohnehin Tempo 30. Jetzt müssen dort Autofahrer aber noch eine weitere Besonderheit beachten: Dort beginnt Mönchengladbachs erste Fahrradstraße. Das heißt: Radfahrer dürfen gemütlich nebeneinander herfahren - und Autofahrer müssen das akzeptieren.

Der Mann im schwarzen BMW überholt dann aber doch, wenn auch langsam. Dann fährt er rechts ran und steigt aus. "Entschuldigung", sagt der Mann mit der Hornbrille, Modell Clubmaster. "Ich habe hier eine Aufgabe", dabei zeigt er auf sein Smartphone. "Ich soll genau hier, an dieser Stelle jemanden küssen", sagt er. "Das ist was Spirituelles; es muss auch nicht mit Zunge sein."

 Die neue Nord-Süd-Achse beginnt in der Viktoriastraße.

Die neue Nord-Süd-Achse beginnt in der Viktoriastraße.

Foto: klik

Fahrradfahren kann ja so aufregend sein. Und seit Neuestem auch noch entspannt. Zwar ist der Beginn der Strecke an der Viktoriastraße für Ortsfremde nicht ganz leicht zu finden, aber diese Begegnung ist auch schon das Nervenaufreibendste, was beim Test auf der fünf Kilometer langen Strecke zwischen Berliner Platz und Rheydter Marktplatz passiert. Die neue "Blaue Route" dürfte gerne noch länger sein. Der erste Eindruck stimmt. Trotz enger Fahrbahn kann man zu zweit gemütlich nebeneinanderherfahren, ohne von drängelnden Autofahrern belästigt zu werden. Der Großteil des Autoverkehrs fließt über die parallel verlaufende Theodor-Heuss-Straße. Wenn Fahrradfahren in der Stadt überall so angenehm wäre, würden sicherlich mehr Menschen aufs Rad umsteigen.

Die Vorzüge der Fahrradstraße scheinen am Tag der Eröffnung aber noch nicht allen Radfahrern aufgegangen zu sein. Einige fahren auch weiterhin auf den angrenzenden Radwegen oder auf dem Mittelstreifen zwischen den Bäumen. "Das bin ich so gewohnt", ruft eine Dame vom Fahrrad zu. Sie wird sich umgewöhnen. Nicht nur, weil der Mittelstreifen der Brucknerallee zukünftig Fußgängern vorbehalten sein wird.

 Etwas knifflig: In der August-Oster-Straße gibt es keine Markierungen.

Etwas knifflig: In der August-Oster-Straße gibt es keine Markierungen.

Foto: Lisa Kreuzmann

Auch weil die neue Nord-Süd-Route nicht nur hübsch, sondern für Radfahrer auch enorm entlastend ist. Eine nette Spazierfahrt durch die Stadt, die nicht nur Touristen gefallen dürfte. Vor allem Studenten der Hochschule werden die Fahrt zur Vorlesung ohne Nahtoderfahrung zu schätzen wissen. Von der Richard-Wagner-Straße in Richtung Brucknerallee ist das Radeln ab sofort wahrlich idyllisch. Die Straße ist in zwei Fahrbahnen geteilt, mit einem Fußgängerweg in der Mitte. Durch die Fahrbahnteilung ist die Straße ruhig und super befahrbar. Die königsblauen Markierungen am Fahrbahnrand säumen die Strecke schützend ein, Sonnenstrahlen glitzern durch das noch dichte Astwerk, die Luft riecht kalt und nach nassem Laub. Dieses Blau macht frei.

 Ab St. Josef beginnt eine wahrlich idyllische Spazierfahrt.

Ab St. Josef beginnt eine wahrlich idyllische Spazierfahrt.

Foto: Yannik Bergs

Ein wenig knifflig ist die Blaue Route an manchen Stellen aber doch: etwa beim Übergang von der Viktoriastraße in die August-Oster-Straße, die zudem von Rissen und Schlaglöchern überzogen und somit mehr als dürftig ist. Dort hören die blauen Markierungen plötzlich auf. Aus beiden Richtungen kommend müssen Radfahrer genauer hinschauen, wo die blaue Welle hinfließen soll. Das Verkehrsschild mit der Aufschrift "Fahrradstraße" wird momentan von einem temporären Parkverbotsschild verdeckt und ist so für vorbeifahrende Fahrradfahrer kaum sichtbar. Das kurze Verbindungsstück auf der August-Oster-Straße wirkt wie ein Pflaster, das notgedrungen zwischen zwei wirklich anschaulichen Abschnitte geklebt werden musste.

Ein weiterer Knackpunkt in beide Fahrtrichtungen ist der Übergang an der stark befahrenen Hofstraße. Auch hier werden die Markierungen unterbrochen. Die beiden Stellen verzeiht man aber gerne - sobald man die Fahrradstraße wieder verlassen muss. Am Bahnhof angekommen ist man am Ende der Route nämlich noch nicht. Im Norden muss der Bismarckplatz bezwungen werden, im Süden der Rheydter Ring. In Erinnerung: die ruhige Allee, Herbstlaub, Sonnenstrahlen.

(RP)
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