Mönchengladbach Clements verbaler Parforceritt im Monforts-Quartier

Mönchengladbach · Der frühere NRW-Ministerpräsident und Bundesarbeitsminister sprach beim Unternehmerabend vor Führungskräften.

 Wolfgang Clement sprach über Chlorhähnchen und die Mütterrente.

Wolfgang Clement sprach über Chlorhähnchen und die Mütterrente.

Foto: Knappe

Wolfgang Clement ist keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Der ehemalige Spitzenpolitiker und jetzige Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fand viel zu kritisieren bei seinem Parforceritt durch die deutsche, europäische und globale Wirtschaftspolitik, zu dem er die rund 200 Gäste des Unternehmerabends in der Maschinenhalle des Monforts-Quartiers mitnahm.

Eingeladen hatten zwei Verbände: die Unternehmerschaft Niederrhein und die Unternehmerschaft der Metall- und Elektroindustrie zu Mönchengladbach. Der Rahmen passte: Im Monforts-Quartier war die große textile Vergangenheit der Stadt ebenso spürbar wie die derzeitig weit verbreitete Aufbruchsstimmung.

Allerdings empfinden auch die niederrheinischen Firmen die gegenwärtige Wirtschaftslage nicht mehr als so positiv wie noch vor einigen Monaten. "Das Wirtschaftsklima trübt sich ein", stellte Ralf Schwartz, Vorsitzender der Unternehmerschaft Niederrhein, zu Beginn der Veranstaltung fest. Zur Kommentierung der aktuellen Situation hatten sich die Unternehmer Wolfgang Clement eingeladen. Der Hauptredner des Abends war stimmlich durch eine leichte Erkältung gehandicapt, was ihn aber nicht davon abhielt, inhaltlich so ziemlich jeden Bereich zu streifen, der Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung haben kann - von der Syrienkrise über die "Chlorhähnchen"-Debatte und das italienische Arbeitsrecht bis hin zur Mütterrente und der frühkindlichen Bildung.

Mit Blick auf die vielen Krisenherde der Welt lobte Clement die USA als einzig verbliebene Weltmacht: "Die USA haben viele Fehler gemacht, aber sie sind bereit sich einzumischen. Sonst hat sich niemand bewegt. Alle wirkten über Wochen wie gelähmt." Von der EU als stärkster Wirtschaftsmacht der Welt forderte er Wachstumspolitik, aber immer in Kooperation mit der Wirtschaft. Europa brauche eine Energie-Union, um die Versorgung zu sichern. "Das ist ein gewaltiges Investitionsprogramm", stellte der ehemalige Ministerpräsident fest. "Ein gemeinsames Stromnetz allein würde 1,5 Billionen Euro kosten."

Das solle aber mit privatem Kapital finanziert werden. Die Energiewende in Deutschland geißelte er als "abwegig" und als "Umstieg im Schweinsgalopp". "Wir zahlen den Österreichern Geld dafür, dass sie uns den Strom abnehmen", sagte er. "Sie speichern ihn und liefern ihn uns zum Normalpreis zurück. Man muss Tinte gesoffen haben, um das vernünftig zu finden." Auch die Politik der Großen Koalition bekam ihr Fett weg. Die Rentenreform sei gegen jeden fachlichen Rat durchgesetzt worden. Zehn Milliarden Euro koste zum Beispiel die Mütterrente jährlich. "Meine Frau kriegt auch 142 Euro mehr Rente", sagt Clement. "95 Prozent der Frauen sind von der Rentenerhöhung überrascht und brauchen sie gar nicht."

Das Geld sei anderswo besser investiert, zum Beispiel in Schulen und Kindergärten. "Wir sind in zwei Bereichen besonders schwach - der frühkindlichen Bildung und der Hochschulforschung", meinte Clement. Er forderte eine Kindergartenpflicht, um die Defizite von Kindern aus sozial schwachen Familien auszugleichen, außerdem Ganztagsschulen und kleine Klassen. Mit den Bundesländern ging er hart ins Gericht: "Die föderalen Strukturen sind nicht aufrechtzuerhalten. Die Städte und Gemeinden müssen politisch gestärkt werden. Das wird zulasten der Länder gehen." Beim Blick in die Zukunft erkannte er die digitale Revolution 4.0: Maschinen kommunizieren mit Maschinen. In 20 Jahren werde das autonome Vehikel, das Auto ohne Fahrer, über die Straßen rollen. Zum Schluss rief er dazu auf, Neues auszuprobieren: "Wir müssen bisherige Grenzen überschreiten, wenn wir in der Weltwirtschaft mithalten wollen", sagte Wolfgang Clement.

(arie)
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