Bundestagswahl 2017 Das ganze Ausmaß der Stimmzettel-Panne in Mönchengladbach

Mönchengladbach · Die Stadt hat in 18 Wahllokalen zu knapp mit Stimmzetteln kalkuliert und hatte dann große Probleme damit, Nachschub zu liefern.

 Stimmzettel in einem Wahllokal (Symbolbild).

Stimmzettel in einem Wahllokal (Symbolbild).

Foto: Maja Hitij

Die Stimmzettelpanne bei der Bundestagswahl in Mönchengladbach am vergangenen Sonntag war größer als zunächst angenommen. Nicht nur in zehn, sondern in 18 Wahllokalen war der Engpass mit Stimmzetteln so groß, dass nachgeliefert werden musste. Damit war jedes zehnte Wahllokal mit zu wenig Stimmzetteln beliefert. Das sagte am Donnerstag der Kreiswahlleiter, Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU), bei der Sitzung des Kreiswahlausschusses. Reiners hatte eine detaillierte Prüfung angeordnet und legt die Ergebnisse nun dem Landeswahlleiter vor.

Demnach war in drei Wahllokalen der Engpass so groß, dass zwischenzeitlich gar keine Stimmzettel mehr da waren, bevor Nachschub geliefert wurde. In den Wahllokalen Geschwister-Scholl-Realschule (16.35 bis 17.30 Uhr), Grundschule Ohler (16.45 bis 17.52 Uhr) und in der Mehrzweckhalle Gerkerath (16.45 bis 17.20 Uhr) konnte zeitweise nicht gewählt werden. Dabei wurden die ersten Versorgungsengpässe bei der Stadt ab 15.40 Uhr gemeldet. Um 16.55 Uhr wurde der zuständige Dezernent Matthias Engel (SPD) über die Probleme informiert, der gegen 17.30 Uhr, also eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale, Reiners informierte. Noch am Abend und in den vergangenen Tagen ebenfalls forderte der Landeswahlleiter auch aufgrund der Recherchen unserer Redaktion entsprechende Berichte an.

Von 39 Wahlberechtigten, die wegen fehlender Stimmzettel zunächst nicht abstimmen konnten und deren Personalien deshalb aufgenommen wurden, haben 26 noch gewählt — 13 von ihnen aber nicht mehr. Weil aber vor 18 Uhr in allen Wahllokalen wieder Stimmzettel verfügbar waren, sei es jedem Wahlberechtigten möglich gewesen, vor 18 Uhr zu wählen, so Reiners. "Wir konnten Stimmzettel nachliefern, so dass am Ende des Wahlgangs um 18 Uhr überall Stimmzettel zur Verfügung standen", sagte Reiners. "Jedem, der wählen wollte, war auch die Möglichkeit gegeben. Wir können nicht erkennen, dass es irgendeine Handlung gegeben hat, die das Wahlergebnis infrage stellen."

Der Grund für das Stimmzettel-Chaos: Die Stadt hat schlicht deutlich zu wenig Exemplare bereitgestellt und war dann organisatorisch nicht in der Lage, die Engpässe schnell zu schließen — obwohl woanders noch genug Reserven vorhanden waren. Tatsächlich lag die Versorgung mit Stimmzetteln bei 81 Prozent. Dabei legte die Stadt die Wahlbeteiligung der Bundestagswahl 2013 zugrunde (66 Prozent) und legte 15 Prozent Reserve drauf. Für die insgesamt 190.000 Wahlberechtigte standen demnach 151.420 Stimmzettel zur Verfügung, von denen nach Abzug der Briefwähler 114.000 in die Wahllokale geliefert wurden. Dort wollten genau 99.864 Bürger ihr Kreuzchen machen. Es sind also 14.000 Stimmzettel übrig geblieben, deutlich weniger als bei der Landtagswahl. Allerdings war die Wahlbeteiligung in einigen Wahllokalen viel höher als erwartet. In den beiden Wahllokalen in der Grundschule Ohler etwa lagen 1015 Stimmzettel bereit, was einer Versorgungsquote von 73 Prozent entspricht, aber 1045 Bürger wollten dort wählen. Die knappe Kalkulation im Rathaus flog dort den Wahlvorständen um die Ohren.

Reiners zieht daraus die Konsequenz, dass künftig für jeden Wahlberechtigten rein rechnerisch ein Stimmzettel zur Verfügung stehen muss. "Wir ziehen daraus die Lehren und werden ab sofort eine 100-prozentige Versorgung in allen Wahllokalen sicherstellen." Und andererseits müssten dringend die Verteilsystematik und die Kommunikationskanäle zwischen den Wahllokalen und Wahlamt verbessert werden. Die vier Notrufleitungen im Rathaus für die Wahlvorstände waren lange Zeit wegen Überlastung nicht erreichbar, so dass die Wahlvorstände sich auf teilweise abenteuerlichem Wege per Fahrrad auf den Weg machten, um Ersatz in anderen Wahllokalen zu beschaffen. Nach Angaben eines Wahlvorstands besorgten sich zwei Wähler Stimmzettel selbst woanders. Ob dies noch Folgen hat, war gestern noch nicht klar.

Die Mitglieder des Kreiswahlausschusses kritisierten die Verwaltung scharf für die peinlichen Vorkommnisse. "Ich halte es für sehr traurig, dass wir in Mönchengladbach auf diese Weise ins Gespräch kommen", schimpfte Ratsmitglied Friedhelm Stevens (CDU), und fuhr in Richtung des verantwortlichen Dezernenten Engel fort: "Man muss sich schon sehr bemühen, um dafür Verständnis aufzubringen, Herr Engel." Auch innerhalb der Verwaltungsspitze soll es deswegen gekracht haben wie selten zuvor.

Für das Wahlergebnis bleibt das Gladbacher Stimmzettel-Chaos wohl ohne Konsequenzen: Beschwerden müssen beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages eingereicht werden. Und der ordnet nur dann eine Neuwahl an, wenn ein Fehler direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestages hat. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben.

(angr)
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