Mönchengladbach Das hätte Heinrich Böll sicher gefallen

Mönchengladbach · Der Schauspieler Günter Barton und der Musiker Lars Stoermer führten einen Dialog von Wort und Ton zu Heinrich Bölls 30. Todestag. Die Themen: Außenseiter, Kriegserinnerungen, gesellschaftliche Fehlentwicklungen der Nachkriegszeit.

 Lars Stoermer (l.) und Günter Barton gestalteten den Abend.

Lars Stoermer (l.) und Günter Barton gestalteten den Abend.

Foto: Jörg Knappe

Heinrich Böll starb vor dreißig Jahren, die musikalische Lesung zu seinem Gedächtnis in der Studiobühne des Theaters Rheydt bewies jedoch, wie überraschend aktuell dessen Werk in vielen Punkten ist. "Einmischung erwünscht" war der Abend in Anlehnung an Böll überschrieben und zugleich Aufforderung, sich nicht auf vorgefundenen Denkbahnen bequem einzurichten. Der Schauspieler und Sprecher Günter Barton und der Musiker Lars Stoermer beschenkten die Besucher auf diesem Erlebnisweg mit einem einfühlsamen Dialog von Wort und Ton.

"Wir finden, dass dieser Autor sehr lebendig ist", befand Peter Brollik, Koordinator für den Veranstalter Grüner Salon Mönchengladbach in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung NRW. In der Pause interpretierte Brollik für sich die Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral vom armen Fischer und Touristen als Erzählung gegen ungehemmtes Wachstum: Der Tourist kann nicht begreifen, dass der Fischer nur nach Bedarf die Netze auswirft, und kommt darüber doch ins Grübeln. Die Textauswahl des Abends erzählte von Außenseitern, Kriegserinnerungen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen der Nachkriegszeit.

Die Kurzgeschichte "Der Lacher" dokumentierte Bölls Sympathie für Außenseiter. Er sei von Berufs wegen ein Lacher und lebe gut davon, ließ Günter Barton den Helden sagen, der sich weder als Clown noch Komiker sieht, sondern als Darsteller eines Lachens und vom Naturell ein todernster Mensch sei. Barton sprach den Text entsprechend ernst und ohne Lachen. Auf sensible Weise ließ er das Gedankenspiel und Nachsinnen des Lachers sichtbar und fühlbar werden. Ebenso plastisch kristallisierte er den Charakter des Protagonisten heraus, der seine Profession im berufsmäßigen Trauern bei Beerdigungen erkennt, "wo Nachdenklichkeit erwünscht und Nichtstun eine Pflicht" sei. Subtil fing der Schauspieler durchweg feine Zwischentöne, Ironie, Satire, Gedankenspiele ein. Derweil schien der Musiker gedankenversunken zu lauschen, um seine Antwort mit Saxofon oder Bassklarinette in Töne zu fassen. Mit Lautmalereien, angedeuteten Themen und Rhythmen ließ er Zeit zum Nachdenken und überzeugte zugleich mit einer eigenständigen Kunstform, die Raum für unmittelbare Verknüpfungen wahrte. Bölls professionell Trauernder erzählt von Händels Largo, das Stoermer später in Fragmenten anklingen ließ, während Barton dazu sang. Mit Loopstations spielte der Musiker oft mehrschichtig: Er nahm live sein eigenes Spiel auf, um es später als Echo oder weitere Stimme einfließen zu lassen. Zur Zugabe der Künstler kam die Durchsage, das Theater werde geschlossen. "Wenn wir nicht mehr rauskommen, machen wir eine ganze Nacht Henrich Böll", kommentierte Barton gelassen. Böll hätte dies sicherlich sehr gefallen.

(anw)
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