Mönchengladbach Das protestantische Rheydt galt als wirtschaftsschwach

Es war Juni 1970 - kurz nach der Landtagswahl. Die neue SPD/FDP-Koalitionsregierung setzte ein Projekt an die Spitze ihrer Agenda: Sie wollte die Verwaltungsreform auf Gemeinde- und Kreisebene fortführen und in der Legislaturperiode auch abschließen. Für Mönchengladbach und Rheydt stellten die Gutachter des Landes fest, dass "beide Kommunen so eng verwachsen" sind, dass "sie als geschlossene Siedlungseinheit erschienen und das Bestehen zweier Städte dem unbefangenen auswärtigen Besucher kaum noch glaubhaft gemacht werden könne". So stellt Prof. Hans Walter Hütter, gebürtiger Rheydter, ehemaliger CDU-Ratsherr, Historiker und heute Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, den Fusionsprozess in seiner Dissertation dar.

Hütter beschreibt, wie beide Städte und die Gemeinde zusammenfanden, und wie problembehaftet dieser Prozess war. Zum Beispiel, wie die aus Alt-Gladbacher stammenden Ratsmitglieder wegen der um rund 50 Prozent höheren Einwohnerzahl den gemeinsamen Rat dominieren würden: Hütter hat dabei die Kommunalwahl-Ergebnisse in Gladbach und Rheydt von 1969 auf eine Gesamtstadt übertragen. Oder die unterschiedlichen Strömungen: der über Jahrhunderte beherrschende Katholizismus in Gladbach, der Protestantismus in Rheydt. Auch die politische Grundstimmung wird deutlich: konservativ in Gladbach, eher liberal in Rheydt. Und zur Wirtschaftskraft wird einiges ausgesagt: In Rheydt war das Steueraufkommen geringer und die Pro-Kopf-Verschuldung höher. Rheydt galt sogar eher als "wirtschaftsschwach".

Es gab sogar den Versuch, die "neue Stadt" noch größer zu machen - und zwar um Korschenbroich, Liedberg, Kleinenbroich, Jüchen und Hochneukirch. Dies lehnte NRW-Innenminister Willy Weyer (FDP) ab. Während sich Gladbach und Rheydt mit der Fusion arrangierten, machte sich Wickrath lange Hoffnungen, der Eingemeindung mit den beiden Städten zu entgehen. Die CDU-Landtagsfraktion beantragte sogar den Erhalt der kommunalen Selbstständigkeit Wickraths, konnte sich damit gegen SPD/FDP nicht durchsetzen. Am 10. Juli 1974, also vor 40 Jahren, verabschiedete der NRW-Landtag die kommunale Neuordnung und damit die Fusion der beiden kreisfreien Städte Mönchengladbach und Rheydt und der Gemeinde Wickrath zur Großstadt Mönchengladbach.

Dem ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers (CDU) kam in der ersten Hälfte des Jahres 1975 eine wichtige Rolle zu. Weil der Zusammenschluss am 1. Januar vollzogen wurde, die erste Kommunalwahl in der neuen, großen Stadt aber erst am 4. Mai 1975 anstand, führte er kommissarisch die Geschäfte des Rates und des Oberbürgermeisters. Meyers war damit Rat und OB in Personalunion. Den bisherigen Rheydter Oberstadtdirektor Helmut Freuen (CDU) bestellte die Landesregierung zum Beauftragten für die Aufgaben des Oberstadtdirektors.

Bei der Wahl des ersten Rates der fusionierten Stadt schaffte Wilhelm Schiffers FWG nicht den Sprung in den neuen Rat: Die Wählergemeinschaft hatte die Fusion bekämpft. Der Bürger strafte sie ab.

(RP)
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