Mönchengladbach Das reinste "Chaos" vor dem Gerichtssaal

Mönchengladbach · Klaus Schmitt zeigt Aquarelle auf den Fluren des Landgerichts. Die Ausstellung "Das Gute so nah" vermittelt Optimismus.

 Ein Bild von Klaus Schmitt (der Mann vor dem Aquarell) verdeckt im Landgericht eine Tafel, auf der Namen von Opfern des Ersten Weltkriegs stehen. Bis zum 2. Oktober ergänzt die Kunstausstellung das Interieur auf den Gerichtsfluren.

Ein Bild von Klaus Schmitt (der Mann vor dem Aquarell) verdeckt im Landgericht eine Tafel, auf der Namen von Opfern des Ersten Weltkriegs stehen. Bis zum 2. Oktober ergänzt die Kunstausstellung das Interieur auf den Gerichtsfluren.

Foto: Isa

Die goldgefasste "Justitia" über der ehrwürdigen eichenen Tür des Sitzungssaals im Landgericht trägt keine Augenbinde - die Erbauer des Justizgebäudes an der Hohenzollernstraße wünschten sich schon 1912 eine sehende Göttin des Rechts. Seit gestern blickt die mythologische Gestalt - und mit ihr die Angestellten und Vorgeladenen der Recht sprechenden Institution - auf das reinste "Chaos". Denn so heißt Klaus Schmitts zwei mal drei Meter großes Aquarell, das mit den typischen Farben seiner Palette in verschwenderisch getropftem Nass-in-nass-Verfahren zwischen Wolken und Linien formatfüllend ein harmonisches Durcheinander anrichtet. Mit Justitia zeigen sich auch die Gastgeber der seit langem ersten Kunst-Ausstellung im Landgericht, seine Präsidentin, Dr. Annette Lehmberg, und sein Direktor, Michael Schönauer, freudig erstaunt über die auch in den Fluren hängenden fast 30 Werke des Mönchengladbacher Künstlers.

Schmitt hat dem Projekt den Titel "Das Gute so nah" gegeben, ein (selbst-)ironisches Spiel mit den Bedingungen des Ortes und seinem künstlerischen Streben. Sein Werk "Chaos" jedenfalls, da ist Klaus Schmitt ganz der im Raum intervenierende Bildhauer, hängt nicht einfach hinter Glas an der Wand, sondern ist auf ein Dachlattengestell getackert, das mit zwei Beinen auf dem Boden an der Stelle lehnt, wo eine Tafel der Opfer des Ersten Weltkriegs gedenkt. Die ist jetzt verdeckt. Vorübergehend.

Das Aquarellieren begleitet Klaus Schmitt seit mehr als 30 Jahren. Wie etliche Komponisten nach dem Frühstückskaffee sich ans Klavier setzen und mit Bachs Wohltemperiertem Klavier den Arbeitstag beginnen, malt Schmitt "jeden Tag ein Aquarell", wie er erzählt. Alles müsse schnell gehen, spontan, kreativ.

Schmitt hat in diesen an die 10 000 Blättern eine unverwechselbare Sprache entwickelt. Nach frühen schwarzweißen Tuschearbeiten (Crossing) entstehen die Werkgruppen Netze, Fliegende Briketts, Sterne, Flow, zuletzt Loops. Vom frühen linearen Duktus ist allenfalls die Breite des Pinsels übrig. Inzwischen malt Schmitt mit Wasser, lässt Farbpigmente ins Nass tropfen und verlaufen. Fast tanzende Bewegung, Helligkeit, Leichtigkeit - eine gehörige Portion Optimismus zeichnen seine jüngsten Arbeiten aus.

Im Landgericht, das mit seinen endlosen Fluren kafkaesk anmuten mag, macht sich das jedenfalls gut. Hier hingen bislang Plakate vom Abteibergmuseum. Demnächst reiben sich vielleicht Künstler des Kunstvereins MMIII an der Architektur und ihrer Funktion. Bei der Ausstellungseröffnung hatten sowohl die Vertreter der Kunstszene als auch die Diener Justitias ihre Freude daran.

(ark)
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