Mönchengladbach Das Spiel mit den Fake News

Mönchengladbach · Die neue Atelierstipendiatin Ghita Skali zeigt in einem Videoprojekt, wie falsche Nachrichten entstehen. Ihre Filme spielen mit Verwirrungen. Sie verdeutlicht durch Verfälschungen, dass Erzähltes nicht zum Gezeigten passen muss.

 Ghita Skali ist 1992 in Casablanca geboren. Nun ist sie Atelierstipendiatin in Mönchengladbach.

Ghita Skali ist 1992 in Casablanca geboren. Nun ist sie Atelierstipendiatin in Mönchengladbach.

Foto: Detlef Ilgner

Sie kennen das: Einer in der Familie erinnert sich schwach an ein Ereignis, einen Gegenstand, der ins Haus gehörte. Er fragt bei den anderen Familienmitgliedern nach, ob sie sich erinnern. Ja, das tun sie. Doch stellt sich schnell heraus, dass über die Erinnerungen so wenig Einigkeit besteht, dass der Fragende anzuzweifeln beginnt, ob das Ereignis, der Gegenstand überhaupt so existiert hat. Ein bisschen auf diese Weise arbeitet die Künstlerin Ghita Skali. Und ein bisschen erinnert ihre Vorgehensweise auch an die Fake News, mit denen die Welt sich seit dem Amtsantritt des amerikanischen Präsidenten auszukennen gelernt hat.

Die neue Atelierstipendiatin Ghita Skali, geboren 1992 in Casablanca, zeigt in ihren hoch spannenden und interessanten Videofilmen, wie unklare oder längst vergangene Tatsachen und Objekte mehr unbewusst als bewusst zu verfälschten Wahrheiten werden: durch subjektiv gefärbte Erinnerungen oder politisch bedingten Zwang.

Der entscheidende Gegensatz zu den uns aus der Politik bekannten Fake News aber ist, dass Ghita Skalis Filme auf erwiesenen Tatsachen beruhen. Es sind ihre Dokumentationen, die "gefaket" sind und dennoch oder gerade deshalb viel Wahrheit aufdecken.

Am Donnerstagabend stellte sie in den wunderbar maroden Räumen des ehemaligen Ladens Köntgens den knapp 25-minütigen Film "A Trip down Memory Lane: The Markar" vor. Der entstand erst vor drei Monaten mit Unterstützung der Initiative "Al Mawred Al Thaqafi". Es geht um König Hassan II. von Marokko, der in den 1980er Jahren einen medizinischen Apparat für die Kardiologie erfand, Markar genannt, mit dem Belastungstests auf dem Pferd, im Wasser, beim Golfen oder Walken durchgeführt werden können. Dieser taucht hier und da in Unterlagen und vor allem im Gedächtnis von Menschen auf, doch sind die Archivdaten unklar und widersprüchlich, so dass er wie eine Chimäre durch die Welt geistert.

Im Stil einer Fernsehdokumentation, wie man sie auf manch einem Privatsender sehen kann - ein wenig reißerisch, mit dramatischer Musik unterlegt und von einem wunderbaren Vor- und Abspann begleitet, mit eindringlichen Bildern und zahlreichen "O-Tönen" - präsentiert Skali den Markar und versucht, die Geheimnisse dahinter zu erforschen, ohne dass es wirklich gelingt. Mal wirkt es ironisch, mal witzig, mal seriös. Jeder der Interviewten weiß etwas, aber eine Antwort gibt es nicht - oder wie die Stimme aus dem off sagt: "So many questions without answers". Und vor allem: Keine der dargestellten Personen ist die, deren Stimme man hört. Mehrfache Verwirrungen tun sich auf. Im Rahmen der Ausstellung "Playground" werden weitere Filme gezeigt: heute, 2. Dezember, von 16 und 22 Uhr, und morgen, 3. Dezember, zwischen 16 und 18 Uhr. Zudem laufen permanent weitere kürzere Videofilme. Die Ausstellung im ehemaligen Ladenlokal Köntges, Waldhausener Straße 16 ist gemeinsam mit dem Kulturbüro der Stadt Mönchengladbach entwickelt worden.

(sbr)
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