Deichkind "Deichkind hat im Rheinland immer gut funktioniert"

Mönchengladbach · Es ist ein Montag Anfang Juli. Die Hip-Hop-Band Deichkind hat sich zu einem spontanen Konzert vor nur 250 Fans im Strandhaus des Sparkassenparks angekündigt. Kurz bevor es auf die Bühne geht, kommen die beiden Sänger Porky (Sebastian Dürre) und Philipp (Grütering) zum Interview - und verlangen geduzt zu werden.

 Beim Auftritt im Strandhaus des Sparkassenparks hatte Sänger Philipp Grütering kürzlich eines seiner extravaganten Bühnen-Outfits an.

Beim Auftritt im Strandhaus des Sparkassenparks hatte Sänger Philipp Grütering kürzlich eines seiner extravaganten Bühnen-Outfits an.

Foto: Jan Bonk

Vor zwei Jahren wart ihr ja zuletzt in Mönchengladbach und spielt am 5. August noch einmal im Sparkassen-Park. Besteht da eine spezielle Verbindung zu Gladbach?

 Deichkind sind auch für ihre extravagante Show bekannt - so wie hier im August 2015 bei ihrem ersten Auftritt im Sparkassenpark.

Deichkind sind auch für ihre extravagante Show bekannt - so wie hier im August 2015 bei ihrem ersten Auftritt im Sparkassenpark.

Foto: Ilgner

Porky Ist das schon zwei Jahre her?

Philipp Meine Patentante kommt aus Mönchengladbach, und die hat hier früher neben dem Präsidenten von Borussia gewohnt und da war ich oft zu Besuch. Hab auch am Bahnhof mal geguckt, ob ich das alles noch so erkenne. Aber tatsächlich war in Mönchengladbach unser erstes eigenes Stadionkonzert, das wir jemals hatten. Und wir dachten erst: Stadion ist doch viel zu groß, und dann war es am Ende voll und das war ein super Gefühl. Deswegen haben wir auch so ein positives Gefühl, wenn wir hierher kommen.

Deshalb auch das kleine Clubkonzert vor 250 Fans Anfang Juli?

Porky Ja, wir wollten mal wieder auf einer kleinen Bühne spielen. Da haben wir angefangen und dieses Feeling wollten wir uns zurückholen, um es dann auch wieder auf die große Bühne zu tragen.

Habt ihr das gemacht, weil ihr gerade euer 20-Jähriges feiert?

Philipp Vielleicht, ja. Wir haben uns immer weiter distanziert von der Intimität eines Clubs. Man hat dort einfach mehr Kontakt mit den Leuten. Da geht dann auch mal was schief und es ist nicht so viel drum herum. Das macht einfach Fun, man ist entspannt.

Porky Aber die großen Auftritte machen natürlich auch Spaß.

Spürt ihr regional einen Unterschied beim Publikum: Stichwort rheinische Frohnatur?

Philipp Total. Deichkind hat im Rheinland schon immer gut funktioniert. Aber auch in anderen Teilen Deutschlands fühlen wir uns sehr wohl.

Porky Aber wir freuen uns auf das Konzert hier und laden alle herzlich ein zu kommen, denn das ist das letzte Konzert mit dem aktuellen Album.

Habt ihr denn schon ein neues Album am Start?

Porky Wir arbeiten dran, haben aber noch kein fixes Datum.

Philipp Aber ich bin schon fleißig bei Youtube unterwegs und schau, was die Jugendlichen so machen...

Richtet ihr euch so ein bisschen danach, was gerade im Trend liegt?

Philipp Ja, natürlich. Es ist immer inspirierend, was die Leute so hören. Ich habe schon ein paar neue Beats gefunden, die wir einbauen können.

Porky Mit den Beatsteaks haben wir einen Song gemacht, das erscheint aber auf deren Album.

Wenn ich euch höre, frage ich mich immer wieder: Wie kommt man auf den Text? Lauft ihr über den Flohmarkt und es kommt ein Song wie "Der Flohmarkt ruft" dabei heraus?

Porky Ja, tatsächlich ist das so. Meine Schwiegermutter hat einen eigenen Flohmarkt organisiert, daher kam die Idee.

Philipp Überhaupt versucht man, Songs zu schreiben, deren Inhalt man selber erlebt hat. Aber natürlich schaut man auch darauf, was für Leute interessant sein könnte. Viel Quatsch und Nonsense haben wir auch gemacht. Das Spannende ist, den schmalen Grat zu finden zwischen dem, was man selber witzig findet, und dem, was die Leute interessiert.

Porky Wir rappen weniger über uns selbst, sondern erzählen lieber Geschichten.

Da schwingt ja ab und an immer auch eine gewisse Gesellschaftskritik mit...

Philipp Ja, wir wollen immer auch einen zynischen Blick auf die Welt behalten. Wir sind aber selber nicht so, dass wir sagen " Oh Gott, die Welt ist so schrecklich".

Porky Man hängt aber schon mal in so einem Loch, da ist es ganz praktisch, dass man sich in so einer Familie dann auffängt.

Also ihr betrachtet euch als richtige Familie und trefft euch nicht nur für Aufnahmen im Studio?

Porky Bei mir ist es oft so, dass ich durch die Stadt gehe und denke, ich hätte keinen Boden unter den Füßen. Aber wenn ich dann zu den Jungs komme, dann fühl ich mich einfach sicher. Manchmal sogar mehr als zuhause.

Gibt's beim Konzert im August denn wieder ein Schlauchboot, mit dem ihr ins Publikum gleitet?

Porky Ja, klar. Wir ziehen alle Register. Aber es ist im Grunde die alte Show, die wir bisher gespielt haben, feilen aber natürlich immer weiter, damit es noch besser wird.

Mit wie viel Ausstattung reist ihr?

Porky Vier Trucks und zwei Doppeldeckerbusse.

Philipp Noch nicht ganz U2-mäßig, aber wir arbeiten dran.

Beim letzten Konzert in Mönchengladbach habt ihr einen Hockeyschläger als Erinnerung an den Hockeypark geschenkt bekommen - habt ihr den noch?

Porky Aber natürlich. Der steht bei uns im Büro.

Seid ihr vor Auftritten eigentlich noch nervös?

Philipp Ja. Am Anfang der Tour macht man sich schon Gedanken, ob etwas schieflaufen könnte. Irgendwann ist man im Programm drin, aber das ist dann nicht mehr so schlimm wie zu Beginn.

Wie fertig seid ihr nach einer Show?

Porky Man ist eigentlich eher wach. Erschöpft auch, aber eher euphorisch. Das Gefühl nach der Show ist eigentlich das Beste am Job.

Jetzt seid ihr seit 20 Jahren eine Band - gibt es irgendeinen Zeitpunkt, wo ihr sagt: Das war's jetzt?

Philipp Man denkt das eigentlich immer nach jedem Album. Es ist schon viel Reiserei.

Porky Wir sind auch die erste Generation, die mit dem Genre altert...

Fühlt ihr euch also als Begleiter dieser Generation und wenn die irgendwann nicht mehr ist, ist Schluss?

Porky Im Grunde ja, wir altern mit. Ich weiß noch, als wir uns erschrocken haben. Gerade ist man noch normal und auf einmal ist man älter...

Woran macht ihr das fest?

Porky An grauen Bärten. Aber im Grunde fühlt man sich gleich. Die Lebenserwartung steigt ja auch, bis 80 oder so...

Hattet ihr eigentlich schon mal einen 80-jährigen Fan im Publikum?

Philipp Ich hab da schon mal jemand Älteren gesehen.

Porky Wir haben aber sowieso viele Generationen im Publikum.

Hat sich das mit dem wachsenden Erfolg geändert?

Philipp Ja, immer mehr. Wobei das erste Album schon recht erfolgreich war, und die Leute, die da zu den Konzerten kamen, sind mit uns gealtert. Damals waren wir 20, und jetzt kommen die immer noch.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Was wollt ihr unbedingt noch machen?

Porky Ich würde gern mal auf Kuba auftreten. Man hat mir gesagt, dort herrsche so eine Atmosphäre wie in...

Philipp ...der Sowjetunion...

Porky ...ne, wie in Berlin Anfang der 90er, das würde ich gerne erleben. Ich glaube, das ist richtig lebendig.

Philipp Oder nach China.

Also geht's euch eher um die Atmosphäre, nicht darum, das Olympiastation in Berlin voll zu bekommen?

Porky Das ist eher zweitrangig, ja.

Danke für das Gespräch.

(RP)
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