Mönchengladbach Den Chefsessel übergeben

Mönchengladbach · Unternehmer Harald Frentzen (80) ist überzeugt, dass die Übergabe des Unternehmens an die nächste Generation nur ohne Zwang erfolgreich sein kann. Er musste lange warten, bis sich Tochter Nadine-Nicole dazu entschied. Drei ältere Kinder hatten zuvor abgewunken.

Fast sah es so aus, als ob Harald Frentzen keinen Nachfolger für sein Unternehmen finden würde. Von seinen fünf Kindern entschieden sich die beiden ältesten Töchter für eine Akademiker-Laufbahn. Sohn Heinz-Harald trat zwar 1983 in das Geschäft ein, aber dann entschied er sich 1990 dazu, sein Hobby zum Beruf zu machen und wurde Profi-Rennfahrer. Die beiden jüngsten Töchter waren noch zu jung, um in das Unternehmen einzusteigen. So kam es, dass Harald Frentzen erst im Alter von 80 Jahren die Unternehmensübergabe vorbereitet.

Vor drei Jahren zeigte Tochter Nadine-Nicole (21) ein erstes Interesse an dem Unternehmen und begann mitzuarbeiten. Nach ihrem Realschulabschluss begann sie eine Ausbildung zur Bestatterin. Für den theoretischen Teil der Ausbildung besucht sie den Blockunterricht im Berufskolleg Bergisch Land in Wermelskirchen.

"Bestatter ist nicht irgendein Beruf, man muss sich auf die Kunden einstellen können", betont Harald Frentzen. "Unsere Kunden sind in einem emotionalen Ausnahmezustand." Das bedeutet einerseits, auf die Kunden einzugehen und Verständnis zu zeigen. Auf der anderen Seite aber auch, seine geschäftlichen Interessen durchzusetzen. Beides in der Waage zu halten, ist ein Punkt, den die Tochter lernen muss. "Mein Vater macht mehr Zugeständnisse als ich", ist die Erfahrung der 21-Jährigen.

Bei der Unternehmensnachfolge setzt Frentzen auf Freiwilligkeit. "Es hat keinen Zweck, jemanden zu zwingen", sagt er. "Mein Vater hat nicht geduldet, dass ich zum Beispiel Rennen fuhr. Darunter habe ich gelitten." Seine Kinder wollte er nicht in das Unternehmen zwingen. Zudem kann nicht jeder mit den Berufsbedingungen leben. "Wir müssen 24 Stunden erreichbar sein", sagt Nadine-Nicole Frentzen. Schon öfter ist es vorgekommen, dass sie mit ihren Freunden bei einer Party war und dann zu einem Sterbefall gerufen wurde.

Auch Vorurteilen muss die junge Frau begegnen, denn der Beruf des Bestatters rangiert auf der Liste der attraktivsten Berufe nicht gerade oben. "Ich habe selbst geglaubt, dass ich in der Berufsschule nur Männern und Gruftis begegne und war überrascht, dass in meiner Klasse moderne Frauen in meinem Alter in der Überzahl sind", erzählt die 21-Jährige, deren Erscheinungsbild man nicht mit dem Beruf in Verbindung bringen würde. "Ich dachte, die packen doch keine Verstorbenen an." Auch wenn Nadine-Nicole Frentzen so manchem Vorurteil begegnen muss, bereut sie ihren Entschluss nicht, ins väterliche Unternehmen eingestiegen zu sein. "Ich fand es schade, ein laufendes Unternehmen einfach aufzugeben", sagt sie. Ihre Aufgaben haben sich Vater und Tochter aufgeteilt. Die Finanzen und Einkauf sind Aufgabenbereiche des Vaters. Sie ist Spezialistin für Beerdigungen für Roma, Sinti und Lateinamerikaner.

Für die finale Unternehmensübergabe an die vierte Generation wollen sich Vater und Tochter noch etwas Zeit lassen. "Ich möchte nach meiner Ausbildung noch meinen Bestattermeister machen", sagt Nadine-Nicole Frentzen. "Und ich bin froh, dass ich immer wieder auf die Erfahrung meines Vaters zurückgreifen kann."

(RP)
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