Mönchengladbach Der Missionar der klaren Botschaften

Mönchengladbach · Vor rund 7500 Fans trat Marius Müller-Westernhagen im Sparkassenpark auf. Wegen eines drohenden Unwetters wurde das Konzert unterbrochen. Der 68-Jährige brillierte mit einer Mischung aus alten Klassikern und aktuellen Stücken.

 Marius Müller-Westernhagen spielte im Sparkassenpark vor rund 7500 Fans. Zwischendurch musste das Konzert unterbrochen werden.

Marius Müller-Westernhagen spielte im Sparkassenpark vor rund 7500 Fans. Zwischendurch musste das Konzert unterbrochen werden.

Foto: Andreas Baum

Er ist nicht der große Lautsprecher, der die Öffentlichkeit sucht. Aber er ist einer, der sich immer treu geblieben ist. Einer, der seine Meinung in Geschichten verpackt und daraus Songs schreibt, hinter denen er voll und ganz steht. "Ich muss mich in meiner Arbeit erkennen, dann weiß ich, dass ich wahrhaftig bin", sagte Marius Müller-Westernhagen im Frühjahr in einem Interview. Er wirkt bescheiden, beinahe ein bisschen zurückhaltend. Wenn er da auf der Bühne sitzt, in Jeans, rotem Hemd mit weißen Tupfen, Weste und Hut, und einfach drauf los spielt, dann macht er den Eindruck wie einer, der das Leben kennt, der weiß, wie es läuft. Die Bühne im Sparkassenpark ist groß. Der Raum, den Westernhagen und seine grandiose Band an diesem Abend brauchen, dagegen eher gering. Der Düsseldorfer spielt bei seiner MTV- Unplugged-Tour eine brillante Mischung aus alten Klassikern, die jeder der 7500 Konzertbesucher mitsingen kann, und Stücken aus seinem aktuellen Album "Alphatier".

Mit seiner Band sitzt Marius Müller-Westernhagen eng zusammen, eine vertraute Atmosphäre entsteht. Wäre das Stadion nicht so groß, es wäre, als säße man in einem Wohnzimmer. Westernhagen ist nahbar, möchte seine Fans an sich teilhaben lassen. Als Ordner Zuschauer davon abhalten, an das Geländer vor der Bühne zu gelangen, sieht er das während seines Gitarrenspiels und fordert: "Kommt ruhig nach vorne. Wir haben keine Angst vor euch." Seine kurzen, aber prägnanten und auf den Punkt gebrachten Ansprachen zwischen den Stücken sind völlig ruhig. "Ich wünsche euch einen wunderschönen Abend!", ruft er dem Publikum zu und erzählt, dass er noch nie in Mönchengladbach gespielt habe. "Selbst zu meiner Amateurzeit bin ich nicht hier gewesen." Als er "Es geht mir gut" singt, ist förmlich zu spüren, wie tief dieser Satz aus ihm heraussprudelt. Westernhagen ist authentisch, sein Gesicht fühlt die Texte physisch mit. Das Leben hat Spuren darin hinterlassen.

Nach rund 25 Minuten und Westernhagens Erklärung "Weil ich dich liebe" ist es, als habe jemand auf einen Knopf gedrückt. Von jetzt auf gleich ziehen am Himmel dunkelschwarze Wolken auf, und es wird stockfinster. Ein beinahe stürmischer Wind braust auf. "Wir müssen jetzt unterbrechen. In zehn Minuten sind wir wieder da", sagt der Meister und verlässt die Bühne. Viele Zuschauer flüchten, die großen Leinwände werden auf den Boden hinunter gefahren. Nach rund einer Viertelstunde kehrt Westernhagen unter Beifall zurück. Passiert ist nichts. Noch nicht einmal ein Tropfen Regen war gefallen. "Das ist mir noch nie passiert. In letzter Zeit ist soviel passiert, da geht die Sicherheit vor", sagt er, greift zur Gitarre und das Konzert geht weiter.

"Schrei" kommt gewaltig daher und verleiht dem Konzert in dieser schwarzen Wolkenstimmung das gewisse Etwas. Beinahe scheint es, als seien die Songs zuvor nur das Vorprogramm gewesen. Westernhagen steigert sich immer mehr, läuft zur Hochform auf. "Lass uns leben" ist eine Hymne. Nein, das Stück ist noch viel mehr. Es ist eine Aufforderung an das Leben, ein Drang, die Ketten zu sprengen, loszulassen. Ein verschmitztes Lächeln huscht über sein Gesicht. Marius Müller-Westernhagen spult nicht routinemäßig eine Setlist ab. Jeder einzelne Song hat eine Botschaft und Westernhagen ist der Missionar, der sie verkündet.

Als er im April den Echo für sein Lebenswerk erhielt, bedankte er sich mit einem klaren Statement: "Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, haben in Zeiten wie diesen die Pflicht, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen." Bei seinem Konzert im Sparkassenpark wiederholte er seine Aufforderung. "Nur Phrasen in den Wind zu blasen, das bringt es nicht", sagte er und machte deutlich, wie sehr er hinter dieser Aussage steht. In "Liebe (um der Freiheit Willen)" fordert er, Freiheit für jedermann. Sein Klassiker "Willenlos" kommt anschließend ganz neu arrangiert daher, mit weniger Kraft, dafür aber sehr intensiv. Das Publikum jubelt.

Das Finale beginnt mit einer ruhigen Fassung von "Sexy", dem Westernhagen einen beinahe psychedelischen Nachklang folgen lässt, bei dem er und das Publikum in einem körperlich spürbaren Rausch zu verschmelzen scheinen. "Ich bin wieder hier" verwandelt das Stadion in einen gewaltigen Chor. Dann ist das Konzert vorbei. "Dass ihr das unter diesen Bedingungen mitgemacht habt, ist Wahnsinn", lobt er seine bis auf die Haut nassen Fans, denen ein Starkregenschauer nichts ausmachte.

Als Westernhagen bei den Zugaben "Johnny Walker" besingt, fragt man sich, wer dieser Typ eigentlich ist, dem er da wie einem Freund huldigt. Mit "Freiheit" verabschiedet er sich und verleiht dem Abend auch noch das letzte bisschen Magie. Beim Gehen wünscht er seinen Fans noch: "Kommt gut nach Hause."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort