Was macht eigentlich? Der Pastor der Herzen

Mönchengladbach · Johannes van der Vorst wusste schon als Zehnjähriger, dass er Priester werden wollte. Er war fast 38, als es soweit war. Vorher hatte er kräftig anzupacken gelernt: beim Wiederaufbau nach dem Krieg, als Gärtnergehilfe, als Kaufmann. Er ist fast 86 - und immer noch als Seelsorger aktiv.

 Ein Herz zum 85. Geburtstag für den Pastor der Herzen (v. l.): Regionaldekan Albert Damblon, Prince Charles-Louis de Merode, Petra Heinen-Dauber, Johannes van der Vorst, Schützenchef Horst Thoren und Pastor Jan Nienkerke.

Ein Herz zum 85. Geburtstag für den Pastor der Herzen (v. l.): Regionaldekan Albert Damblon, Prince Charles-Louis de Merode, Petra Heinen-Dauber, Johannes van der Vorst, Schützenchef Horst Thoren und Pastor Jan Nienkerke.

Foto: Knappe

In seiner Wohnung im Geistenbecker Pfarrhaus stehen drei Fitnessgeräte. Genutzt werden sie so gut wie nie. "So etwa jedes Vierteljahr vielleicht", sagt Johannes van der Vorst augenzwinkernd. "Ich habe einfach keine Zeit. Morgens arbeite ich immer, da will ich nicht schon vorher müde sein. Und abends bin ich dann müde. Schließlich werde ich jetzt 86."

Aber immer noch so fit, wie es sich manch 76-Jähriger wünschen würde. Körperlich und vor allem auch im Kopf. Er ist jedoch kein hochintelligenter, abgehobener Theologe, sondern ein Mann aus dem Volk. Er hat das Leben zunächst viele Jahre aus einer anderen Perspektive kennengelernt: als Arbeiter und Angestellter. So spricht er, wie ihm der Schnabel gewachsen ist - und wie es die Menschen verstehen, für die er immer da ist. Mit dem Schalk im Nacken und lockeren Sprüchen, vor allem aber mit der Bereitschaft, anderen zu helfen, ohne groß darüber zu reden. Die Menschen spüren, dass es bei all seinem Humor keine leeren Sprüche sind. Wenn er bei Aldi oder Norma in Geistenbeck einkaufen geht, oder wenn er die Messe liest: Immer noch und vielfach schallt es ihm entgegen: "Guten Tag, Herr Pastor!" Oder "Hallo, Johannes!"

 Ob groß, ob klein: Johannes van der Vorst liebt alle Menschen - hier im Geistenbecker Kindergarten.

Ob groß, ob klein: Johannes van der Vorst liebt alle Menschen - hier im Geistenbecker Kindergarten.

Foto: Wilfried Rasche

Johannes van der Vorst hat seine Lebensdaten aufgeschrieben. Sie enden derzeit mit "Freilaufender Priester ab Juni 2010". Das war der Zeitpunkt, an dem der Aachener Bischof dem nun 80-Jährigen einfach nicht ein viertes Mal die eigentlich schon 2005 ausgelaufene Dienstzeit als Pastor, dann als Pfarradministrator und zuletzt als Subsidiar in Heilig-Geist Geistenbeck, verlängern konnte. Doch van der Vorst erfand für sich als selbst verliehenen Titel den "freilaufenden Priester". Und niemand widerspricht bis heute. Ob in Geistenbeck, bei St. Laurentius Odenkirchen, zu dem Heilig-Geist heute gehört, oder beim Bistum in Aachen: Alle sind sehr froh, einen Mann wie ihn zu haben, einen Seelsorger mit Herz.

Und der sich nicht aufs Altenteil abschieben lässt, sondern sagt: "Der Einzige, der mich noch von meinem Dienst abhalten kann, ist der Chef da oben." 30 Jahre, von 1975 bis 2005, war er Pastor der Pfarre Heilig-Geist Geistenbeck. "Regionaldekan Edmund Erlemann hat ihm damals den Wechsel von der Pfarre St. Bonifatius Hardterbroich schmackhaft gemacht. Es war fast so etwas wie ein Schritt in unbekanntes Land. "Ich bin in Eicken und Waldhausen aufgewachsen, war, wie damals so viele Gladbacher, bis zur kommunalen Neugliederung 1975 kaum einmal in Rheydt gewesen, wusste nicht, wo genau Geistenbeck denn lag", erzählt van der Vorst.

Erlemann lockte ihn damit, dass in der Pfarre Heilig-Geist die Kirche abbruchreif war, das Gemeindeleben am Boden lag - eine große, sehr reizvolle Aufgabe. "Du bis gelernter Kaufmann, kannst mit Geld umgehen, rechnen, anpacken und mit Menschen umgehen, sie für dich gewinnen", sagte Erlemann. Eine Herausforderung also. Und Johannes schlug ein, ohne Sorge: "Für mich war es eigentlich ganz einfach. Es konnte nur aufwärts gehen, wenn man etwas dafür tat."

Und er tat, immer nach dem Grundsatz, den er in den zehn Jahren als kaufmännischer Angestellter verinnerlicht hatte: "Der Kunde ist König." Der Kunde, das waren jetzt die Mitglieder seiner Gemeinde. Für die begann 1975 eine neue Ära. Der neue Pastor predigte nicht nur, sondern er packte mit an - auch mal in kurzer Turnhose. Es wurde geplant und gebaut, die "ganze Gemeinde" war begeistert und half mit. 1976 war der neue Kindergarten fertig, 1988 das Pfarrhaus, 1983 die Kirche.

In Geistenbeck hat er schnell Menschen gefunden, die zu ihm passten: ganz normal, bodenständig, verständnisvoll und hilfsbereit, wenn man sie richtig anspricht. Und die Johannes van der Vorst schnell lieben lernten. "Er ist total couragiert, ein Kämpfer, lustig und immer guter Laune", sagt Angelika Schreiber, die seit vielen Jahren den Pfarrbrief grafisch gestaltet.

Was nicht bedeutet, dass van der Vorst mit seinen nun 86 Jahren nichts von moderner Gestaltung verstünde. Den PC in seinem Arbeitszimmer nutzt er täglich, schreibt Mails, Briefe, Predigten, verwaltet seine Termine, macht die Buchhaltung. Der gelernte Kaufmann ist immer noch sehr gut organisiert: "Alles muss tipp-top in Ordnung sein." Und es gibt immer noch genug zu tun, wenn es auch nicht mehr ein 14- oder auch mal 16-Stunden-Arbeitstag ist wie früher. Morgens gegen halb sieben steht er heute auf, liest nach dem Frühstück seine Mails, antwortet möglichst sofort oder so bald es geht. Immer noch nach seinem Grundsatz: "Der Kunde ist König." Er macht dazu seine regelmäßigen Besuche in Altenheimen und auch im Krankenhaus. Schluss ist abends so gegen fünf, sechs Uhr. Wenn nicht noch etwas dazwischen kommt: "Wenn man mich zu einem Notfall ruft, bin ich heidewitzka da."

Und dann gibt es noch eine andere Aufgabe, die Johannes van der Vorst, auch mit ganzem Herzen, ausfüllt: Bezirkspräses des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften, Bezirksverband Mönchengladbach Rheydt, Korschenbroich e. V. Den ersten Kontakt hatte er Anfang der 70er Jahre als Kaplan der Pfarre St. Bonifatius Hardterbroich, "Ich hatte sofort einen guten Draht zu den Leuten." Auch, weil er den sozialen Hintergrund der Schützenbruderschaften sehr schätzt: "Der Name Schützenbruder hat nichts mit Schießen zu tun, sondern mit Beschützen." So kümmert er sich seit 36 Jahren um Schützengottesdienste, Wallfahrten und anderes. Unermüdlich, herzlich, auf die Menschen zugehend. Und wenn er bei Borussia ist, dann gehen ihm schon mal ein wenig die Gäule durch: "Dann sage ich schon mal Dinge, die man nicht sagen sollte." Aber da ist er halt der Fan, der das Stadion und den Bus eingeweiht hat, zuhause im Borussen-Trainingsanzug herumläuft und im Büro den Wimpel mit den Unterschriften der Spieler hängen hat.

(RP)
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