Mönchengladbach Der RWE-Schatz der Stadt schwindet

Mönchengladbach · Rund 120 Millionen Euro hätte die Stadt 2008 für ihre 1,9 Millionen RWE-Aktien bekommen. Hätte sie gestern verkauft, wären es nur noch 29 Millionen Euro gewesen. Auch die Dividende wird wohl bald gekürzt. Ein Fiasko für die Stadt.

Nein, wir werden jetzt nicht darin rühren, dass die Stadt Düsseldorf für ihr Paket von 5,67 Millionen RWE-Aktien Ende 2007 rund 363 Millionen Euro erlöste. Damals zu einem Stückpreis von etwa 64 Euro pro Aktie. Und dass die Düsseldorfer damit den Riesenschritt in Richtung Schuldenfreiheit taten.

Nein, wir werden auch nicht weiter darin rühren, dass Mönchengladbach Anfang und Ende 2008 Ähnliches versuchte und die RWE-Stammaktie damals bei rund 63 Euro stand. Das hätte rund 120 Millionen Euro in die Stadtkasse gespült. Seinerzeit herrschte aber so großer Optimismus bei der politischen Mehrheit in Mönchengladbach, dass sie das Wertpapierpaket erst veräußern wollte, wenn die RWE-Aktie auf 85 Euro klettert.

Wir werden aber zumindest den Schlusskurs gestern nennen: Die RWE-Aktie lag bei 14,88 Euro. Und Börsenexperten gehen davon aus, dass der Kurs eher sinken statt steigen wird. Hätte die Stadt gestern verkauft, wären nur 29 Millionen Euro auf dem Stadtkonto gelandet.

Wenn Stadtkämmerer Bernd Kuckels irgendwann auf seine Dienstzeit in Gladbach zurückblicken wird, dann wird der gescheiterte Versuch, das RWE-Aktienpaket zu verkaufen, seine vermutlich größte Enttäuschung oder auch Niederlage sein. Als "ärgerlichen Vorgang" bezeichnete er es bereits im Mai 2014, als die CDU im Finanzausschuss in dieser Wunde bohrte. Es ist damit zu rechnen, dass das Aktienpaket wieder Thema in den politischen Gremien wird - wenn der kriselnde Energiekonzern die Dividende von jetzt einem Euro pro Aktie auf 0,60 oder sogar 0,50 Cent senken sollte. Denn dann tut sich im Haushalt eine weitere Lücke auf.

Tatsache ist: Die Stadt verfügt über exakt 1 917 470 RWE-Aktien. In der städtischen Bilanz sind sie zum Stichtag 31. Dezember 2014 mit einem Kurswert der Stammaktien von 26,20 Euro bewertet - also noch deutlich über dem derzeitigen Börsenkurs.

In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2009, als die Stadt ihren Haushalt umstellte, seitdem wie ein Unternehmen bilanziert und nicht mehr nach der Kameralistik rechnet, wurde die Stammaktie mit einem Wert von 52,53 Euro aufgenommen. Seitdem sind Jahr für Jahr alle Wertberichtigungen in den Jahresabschlüssen nach den jeweiligen Kursveränderungen vorgenommen worden - was beim Kursverfall der RWE-Aktie zu einer Verringerung des Eigenkapitals führte.

Es gibt zwei weitere wunde Punkte in der Mönchengladbacher RWE-Aktien-Historie. Als die Stadt 2007 von einem Verkauf ausging und die Wertpapiere von ihren städtischen Töchtern - bei ihnen konnten Verluste mit Gewinnen verrechnet werden - auf die Stadt übertrug, musste sie den Entnahmegewinn versteuern. Und weil Stadtkämmerer Bernd Kuckels seinerzeit der Meinung war, dass man die rund 1,9 Millionen Aktien nicht unstrukturiert auf den Markt werfen kann, wurde die Aufgabe öffentlich ausgeschrieben. Das Beratungsunternehmen Sal. Oppenheim bekam den Zuschlag - und bei der Stadt verblieben nur Kosten. Für Steuern und Beraterhonorar entstanden zusätzliche Belastungen von mehr als zehn Millionen Euro. Diese Summe ließ den städtischen Schuldenberg weiter klettern.

Da RWE die Dividende - nicht zuletzt auf Druck der kommunalen Anteilseigner - trotz eines schlechten Ergebnisses in diesem Jahr bei einem Euro pro Wertpapier belassen hat, konnte Gladbach nach Steuern 1,6 Millionen Euro für den 2015er Haushalt verbuchen. Wird die Dividende halbiert, kann Kämmerer Kuckels für 2016 auch nur noch die Hälfte in den Etatentwurf für 2016 aufnehmen. Bei 60 Cent pro Aktie wären es rund 640 000 Euro weniger Dividendenerlös.

(RP)
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