Mönchengladbach Die doppelte Gründung

Mönchengladbach · Wie Graf Balderich und später Erzbischof Gero von Köln die Stadt zweimal gründeten.

 Die erste Gründung: Balderich (links) und seine Gemahlin Hitta mit dem Modell der (späteren) Hauptpfarrkirche.

Die erste Gründung: Balderich (links) und seine Gemahlin Hitta mit dem Modell der (späteren) Hauptpfarrkirche.

Foto: Stadtarchiv MG

Es ist nicht klar, was aus den Ruinen auf diesem Hügel geworden wäre. Vielleicht wäre diese Stadt still und leise vor sich hin verfallen, bevor es sie überhaupt gegeben hätte. Nicht viel mehr als eine Fundstätte und Hinweis für Archäologen, dass es am heutigen Abteiberg einmal Leben gegeben hatte. Hätte nicht dieser Erzbischof Gero von Köln eine göttliche Vision gehabt und wäre nicht im bergischen Leichlingen ein königlicher Gesandter vermutlich aus purem Zufall gestorben.

Man darf es zumindest als gesichert ansehen, dass Mönchengladbach heute kein Münster hätte, keine Abtei und es diese Stadt mit Sicherheit so nicht geben würde. Denn bei Geros Vision handelt es sich um nichts Geringeres als den Grundstein der Stadt, um den sich herum über die Jahrhunderte ein zum Teil ländlicher Speckgürtel bildete und der heute das Gesicht dieser Stadt ausmacht. Das ist Resultat dessen, was unter Historikern nicht eindeutig geklärt ist: die doppelte Gründung Mönchengladbachs.

Begibt man sich auf Spurensuche auf diesem Hügel oberhalb des heutigen Geroweihers, entdeckt man noch heute schnell die wichtigsten Zeugen des Mönchengladbacher Ursprungs. Es ist die Kirche, die heute Citykirche genannt wird und dringend einer Sanierung bedarf. Und es ist die Abtei, das Münster dazugehörend. Zwei Kirchen, zwei Gründungsgeschichten.

Diejenige, die ziemlich sicher überliefert ist, ist die des Erzbischofs Gero und des Mönches Sandradus. Gero, der Gute, empfand es als göttlichen Auftrag, dem Heiligen Vitus, diesem Märtyrer, ein Kloster zu bauen. Nur wo? Er begab sich auf die Suche, gemeinsam mit jenem Mönch Sandrad. Im Jahr 973 glaubte er schon, fündig geworden zu sein. Und zwar in Leichlingen. Die beiden begannen mit dem Errichten des Klosters, als zwei Gesandte des König Otto I. eintrafen. Und einer von ihnen starb während des gemeinsamen Abendessens. Kein besonders gutes Zeichen für den Beginn eines Klosters.

So sah das zumindest Gero. Die beiden verließen Leichlingen wieder und suchten weiter. Unklar ist, wie sie auf diesen unbewirtschafteten, bewaldeten Hügel an einem Bach trafen, auf dem sich auch noch Ruinen einer alten Kirche, verlassene Wohngebäude und eine Gräbersammlung befanden. Am Fuß des Hügels lebten noch ein paar Menschen, die berichteten den Geistlichen: Da oben, da stand einmal eine Kirche — die heutige Citykirche. Und sie berichteten von den angeblichen Reliquien, sterbliche Überreste, des Heiligen Vitus. Gero und Sandrad fanden die Reliquien in einem hohlen Stein und waren sicher: Hier sind wir richtig. Im Jahr 974 gründeten sie das Kloster, und damit Mönchengladbach.

Doch: Da muss auch vorher etwas gewesen sein. Darauf deuten auch Spuren hin, die tausend Jahre später bei Ausgrabungen zu Tage gefördert wurden. Weit weniger belegt, aber immer noch gerne erzählt, ist die Geschichte des Grafen Balderich. Jener Knabe, der heute als Steinstatue vor dem Rathaus Abtei wacht. Das Problem ist nur: Die Person des Balderich ist historisch heute nicht mehr nachweisbar. Aber die Geschichte ist schön: Balderich soll eine große Figur im Reich Karls des Großen gewesen sein, einer der Vornehmen des Reiches.

Und wer etwas auf sich hält, der baut nun einmal eine Kirche. Überliefert ist, dass mit Balderich die Verehrung des Heiligen Vitus begonnen hat, weil im Jahr 793 Schädelfragmente vorhanden gewesen sein sollen. Die und die Reliquien weiterer Heiliger sollen in Balderichs Kirche aufgebahrt gewesen sein. Fest steht nur: Es gab dort eine Kirche, wo heute die Citykirche steht. Und den Balderich gibt's auch. Mindestens als Statue.

Fasst man zusammen: Gero(weiher), Sandrad(straße), Hitta(straße), Balderich — Mönchengladbach hat seine Gründer nicht vergessen. Wer auch immer es von ihnen denn wirklich gewesen sein mag.

Zum Weiterlesen: Löhr, Wolfgang (Hg.): Loca desiderata. Mönchengladbacher Stadtgeschichte, Band 1; und: Holtschoppen, Natalie: St. Vitus zu Gladbach. Studium zum Kapiteloffiziumsbuch der ehemaligen Benediktinerabtei.

(RP)
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