Mönchengladbach Die Grenzgänger in der Kletterkirche

Mönchengladbach · An den Wänden der Mönchengladbacher Kletterkirche stoßen Menschen an ihre eigenen Grenzen - und gehen darüber hinaus. Wir begleiteten RP-Leser, die nicht nur etwas über ihre Ängste sondern auch etwas über ihre Fähigkeiten lernten.

Mona braucht nur wenige Sekunden, um dem Himmel ganz nah zu sein. Ein, zwei geschickte Griffe, ein Satz nach oben, und sie hängt unter dem Dach der Kletterkirche in Waldhausen. Von unten staunen die Beobachter - dass Mona nicht zum ersten Mal klettert, merken sie sofort. Doch viel erstaunlicher als die Geschwindigkeit, in der sie oben angelangt ist, ist das, was die 12-Jährige sagt, als sie wieder unten ist: "Eigentlich habe ich Höhenangst."

Heimat erleben, das bedeutet in der Kletterkirche eben auch erleben, zu was man eigentlich fähig ist. Hier gehen Menschen an ihre Grenzen - und darüber hinaus. "Klettern ist eine ehrliche Sportart. Das Ganze ist eine intime Sache, man muss sich auf den Partner verlassen und wird mit seinen Ängsten konfrontiert. Dafür ist Klettern da", sagt Klaus Fasbender, Geschäftsführer der Kletterkirche. Wenn er über das Klettern erzählt, glänzen seine Augen förmlich vor Begeisterung. Vom Boden aus leitet er die Kletterer an, animiert sie, weiter zu machen, auch wenn sie selbst denken, nichts ginge mehr. Er wird dabei zwar laut, doch sein Wissen über Technik und Tricks vermittelt der 42-Jährige mit einem Lächeln. Für ihn ist die Kletterkirche ein wichtiger Bestandteil Mönchengladbachs: "Die Immobilie ist besonders. Viele Kletterer fühlen sich einfach von ihr angezogen."

Der Lernprozess, der sich beim Klettern einstellt, so sagt Klaus Fasbender, geschehe immer entgegengesetzt zu dem, was eigentlich erwartet werde. "Die, die am lautesten brüllen, stoßen meist als Erste an ihre Grenzen", sagt er. Schnell erfolgreich seien eher diejenigen, die in Gruppen weniger auffallen, vielleicht sogar gemobbt wurden. "Diese Menschen mussten sich schon einmal mit ihren Ängsten auseinander setzen."

Angst hat der vierjährige Noah augenscheinlich nicht. Ohne groß nachzudenken, klettert er in seinem Klettergeschirr die Wand hoch, bis er eine Höhe erreicht hat, in der manch anderem schon ganz anders geworden wäre. "Noah ist neugierig auf alles", sagt seine Mutter Sabine. Wer Noah so zuschaut - mutig, neugierig, voller Elan - der erlebt mit den eigenen Augen, wozu der Mensch fähig ist. "Das ist einfach in uns drin. Bei Noah sieht man: die Gelenkigkeit ist von Anfang an da. Erst, wenn man älter wird, denkt man, dass man bestimmte Bewegungen nicht machen kann", sagt Klaus Fasbender.

Auch Gaby Hurtz erlebt an diesem Nachmittag, wie es ist, an ihre Grenzen zu gehen. "Es ist einfach eine Überwindung, loszulassen oder den Fuß umzusetzen, wenn man da oben ist", sagt sie. Doch auch die Bankkauffrau will in der Kletterkirche austesten, wo ihre Grenzen liegen. "Man kann hier einfach mal über sich hinaus gehen. Da oben ist man zwar gesichert, aber dennoch auf gewisse Weise auf sich selbst gestellt und muss einfach mal etwas auf eigene Faust machen", sagt sie.

Was es wirklich heißt, sich selbst zu erfahren, das erkennen Menschen, die sich in der Kletterkirche in die Höhe wagen, immer wieder. Höhenangst oder der Irrglaube, etwas nicht zu können - das Klettern ist die optimale Möglichkeit, sich mit eigenen Ängsten zu konfrontieren. Das weiß auch Klaus Fasbender. "Die Möglichkeiten, die eigenen Grenzen auszutesten, ist nach oben hin grenzenlos." In der Kletterkirche liegt diese Grenze in einer Höhe von rund 13 Metern. Doch wer es bis dorthin geschafft hat, der hat nicht nur ein Stück Mönchengladbach erlebt, sondern auch sich selbst .

(RP)
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