Redaktionsgespräch Torben Schultz Die Groko hat's vermasselt

Mönchengladbach · Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat fordert mehr günstigen Wohnraum in der Stadt, lobt die Reform der Stadtsparkasse, spricht über die Arbeit in der Opposition und über Rot-Rot-Grüne Bündnisse.

Redaktionsgespräch Torben Schultz: Die Groko hat's vermasselt
Foto: Detlef Ilgner

In Mönchengladbach wird überall gebuddelt und gebaut. Es gibt viele Veränderungen. Wie erleben Sie die Umgestaltung der Stadt?

Torben Schultz Es wird viel gemacht, aber es gibt wenig grundsätzliche und viele marginale Veränderungen.

Die Umgestaltung des Sonnenhausplatzes ist aber schon ziemlich grundlegend.

Schultz Ja, der Platz hat Charme und wir haben die Pläne zur Gestaltung auch mitgetragen. Beim glitzernden Belag habe ich allerdings meine Bedenken geäußert, was die Haltbarkeit angeht. Ich glaube, der Glitzer wird verschwinden, aber die Idee ist schön. Im Zentrum der Stadt hat ein solcher Platz seine Berechtigung, aber wir brauchen auch Plätze mit Gebrauchswert. Ich denke da an den Marktplatz in Rheydt. Der hat einen sehr hohen Gebrauchswert, die Bürger haben ihn angenommen. Aber es gibt auch Probleme: die Skater werden verjagt, weil der verwendete Naturstein nicht zum Skaten geeignet ist. Es laufen nun Gespräche, um eine Lösung zu finden. Aber grundsätzlich brauchen wir auch Plätze, die genutzt werden. Abnutzung ist dann eben ein Fakt.

Die Roermonder Höfe gehören nicht zu Ihren Lieblingsprojekten.

Schultz Nein, darüber kann ich mich wirklich nicht freuen. Mit Blick auf den Masterplan halte ich die Roermonder Höfe für falsch. Das angedachte Gladbachtal wird nur durch einen winzigen künstlichen Bach aufgenommen. Insgesamt trennt der Bau ab, er ist zu hoch und nicht durchlässig. Der Masterplan hatte dagegen die Öffnung baulicher Grenzen gefordert. Auch der Margarethengarten bekommt einen Schluchtcharakter, wenn die geplanten Neubauten dort entstehen.

Sie halten den Masterplan also für richtig?

Schultz Als Linke halten wir den Masterplan in seinen Grundideen für vernünftig. Die Umsetzung allerdings macht mir Bauchschmerzen. Wir erleben, dass vieles in eine andere Richtung geht. Der Masterplan-Beirat sollte besser öffentlich tagen. Jetzt entsteht oft das Gefühl von vorverabschiedeten Plänen, auch wenn die Gremien formell noch zustimmen müssen.

Sie haben jetzt einen Masterplan Wohnen gefordert.

Schultz Die Bezeichnung Masterplan war ironisch, weil die Verwendung von Begriffen wie Masterplan und Quartiersentwicklung so inflationär gehandhabt wird. Aber ja, wir meinen, dass wir uns mit dem Wohnungsbau und insbesondere mit dem sozialen Wohnungsbau beschäftigen müssen. Immer mehr Wohnungen gehen aus der Bindung und die niedrigen Zinsen führen dazu, dass wenige Investoren Geld in den sozialen Wohnungsbau stecken. Wir brauchen aber günstigen Wohnraum: barrierefreie Wohnungen, aber auch Wohnungen für junge Familien oder Singles.

Mönchengladbach hat traditionell viel sozialen Wohnungsbau. Tut's der Bestand noch?

Schultz Etliche Vermieter vermieten wirklich Barracken. Wenn das Jobcenter mal nachsehen würde, was für Wohnungen da finanziert werden, würde wahrscheinlich vieles nicht weiterlaufen. Wir brauchen günstige Wohnungen. Vor zwei Jahren war Mönchengladbach da noch recht gut aufgestellt, aber inzwischen ist das Problem bei uns angekommen. Wir müssen jetzt gegensteuern.

Wie sehen Sie die Leistung der Verwaltung im Bereich der Flüchtlingsarbeit?

Schultz Die Verwaltung verdient in diesem Bereich ein großes Lob. Mönchengladbach hat es super hingekommen, mit den Herausforderungen fertig zu werden. Dazu beigetragen hat auch der immense Rückhalt in der Bevölkerung. Die Rechten, die gegen die Flüchtlinge Stimmung machen wollten, sind immer wieder aufgelaufen.

Die ersten Schritte waren also erfolgreich, aber jetzt wird's spannend. Jetzt geht es um die Integration.

Schultz Als Linke fordern wir die Abkehr von Sammelunterkünften hin zum Leverkusener Modell, also die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge. Es geht um durchmischtes Wohnen, damit sich nicht irgendwo die Probleme konzentrieren.

Sie sind auch bei "Mönchengladbach stellt sich quer" aktiv. Jetzt war lange Ruhe. Gibt es die Gegenbewegung gegen die Rechten und Rechtspopulisten noch?

Schultz Wir haben ja immer in erster Linie reagiert. Jetzt war anscheinend Sommerpause und darüber waren wir froh. Aber wir schlafen nicht und erhalten das Netzwerk aufrecht.

Wie sehen Sie die Arbeit im Rat? Eine große Koalition macht es der Opposition ja nicht leicht. Kommen Sie sich manchmal überflüssig vor?

Schultz Nein, gar nicht. Die Ratssitzungen sind ein öffentliches Podium und ich spreche in erster Linie die Bürger an. Ich nenne auch die Kernpunkte, die in den Fachausschüssen diskutiert wurden, auch wenn es die anderen Ratsmitglieder nervt. Als Partei wollen wir einen gesellschaftlichen Wandel. Der findet im allgemeinen nicht im Kommunalparlament statt.

Wie bewerten Sie die Arbeit der GroKo?

Schultz Ich meine, dass sich die GroKo bei ihren Anträgen immer sehr darauf verlässt, dass die Verwaltung die Konkretisierungen übernimmt. Die Anträge sind immer sehr schwammig. Ein Beispiel: Beim Thema Freifunk gab es schon vor Jahren einen gemeinsamen Antrag von Linken, Grünen und PiPa, der sehr konkret war und Verfahrensweisen und Abläufe benannt hat. Der spätere Antrag der GroKo hat nur einen groben Rahmen benannt. Resultat: es gibt keinen Freifunk, NEW und Stadtsparkasse setzen auf Insellösungen. Die GroKo hat's vermasselt.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Dezernenten?

Schultz Ich meine, die Verwaltung arbeitet suboptimal. Eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Die Schnittstellen zwischen den Dezernaten funktionieren nicht. Es wird zu wenig miteinander gesprochen.

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Opposition? Sie unterstützen jetzt einen Antrag der FDP, das ist doch eher außergewöhnlich.

Schultz: Ich betreibe Sachpolitik genau wie die gesamte Fraktion. Wir stimmen auch einem guten Antrag der CDU zu wie zum Beispiel in der Bezirksvertretung Nord bei der Tempo-30-Zone im Schürenweg. Das ist letztlich nicht umgesetzt worden, aber von uns mitgetragen. Der FDP-Antrag zum Nachtsport ist genial und wir fragen uns, warum wir nicht selbst darauf gekommen sind. Deshalb bin ich mir sicher, dass die Linke zustimmen wird. Es ist natürlich nicht die Generallösung, aber ein Baustein, der sich in anderen Städten schon bewährt hat.

Sie sitzen im Aufsichtsrat der Stadtsparkasse, die gerade ihr Filialnetz überarbeitet. Bisher gab es erstaunlich wenig Kritik.

Schultz Zu Recht, denn die Stadtsparkasse macht einen guten Job dabei. Es gibt Einsparungen bei den Immobilien, aber die Mitarbeiter werden an anderen Stellen eingesetzt, so dass zum Beispiel Baufinanzierung in Zukunft schneller geht. Das ist sehr clever und zukunftsorientiert.

Politische Mehrheiten jenseits von Großen Koalitionen wird es auf Landes- und Bundesebene in Zukunft eher in Dreierkonstellationen geben. Sehen Sie in NRW oder auf Bundesebene Möglichkeiten für Rot-Rot-Grün?

Schultz Pauschalaussagen will ich nicht treffen. In Thüringen funktioniert die Konstellation gut, aber das kann man nicht auf NRW übertragen. Die Grünen sind auf Landesebene momentan schwer zu bewerten, aber ich glaube, wir könnten mit ihnen arbeiten. Die SPD macht aber keine linke Politik, das würde nicht funktionieren.

Und im Bund?

Schultz Auf Bundesebene sehe ich die Möglichkeit im Augenblick nicht. Hier muss sich die SPD bewegen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN RALF JÜNGERMANN UND ANGELA RIETDORF.

(RP)
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