Redaktionsgespräch Frank Kindervatter Und Armin Marx Die Hindenburgstraße ist ideal für Busverkehr

Mönchengladbach · Die NEW-Vorstände sprechen über Kompromisse in der Gladbacher Innenstadt, die Zukunft der E-Mobilität und schlaue Stromzähler.

 Frank Kindervatter (links), seit Februar Vorstandsvorsitzender der NEW, und Vorstandsmitglied Armin Marx.

Frank Kindervatter (links), seit Februar Vorstandsvorsitzender der NEW, und Vorstandsmitglied Armin Marx.

Foto: Detlef Ilgner

Sie sind beide im Vorstand der NEW und damit für den Nahverkehr in Mönchengladbach zuständig. Wann sind Sie zuletzt mit dem Bus gefahren?

Armin Marx Ich glaube, das war am Klimatag im letzten September. Da hatten wir den Aufsichtsrat eingeladen und haben auch gleich unsere neuen Busse vorgestellt.

Frank Kindervatter Dann liege ich vorn: Ich bin am 8. Februar mit dem Bus gefahren, und zwar in Essen mit dem ÖPNV-Shuttle zum Messegelände. Und meine Kinder fahren täglich. Allerdings sind für deren Strecke die Krefelder Kollegen zuständig. Es ist eben Schulverkehr. Wie es da aussieht, überlasse ich Ihrer Fantasie.

Wahrscheinlich sind die Busse wie überall überfüllt. Wie sieht es in Gladbach aus? Gibt es viele Beschwerden?

Marx Wir haben ein sehr professionelles Beschwerdemanagement. Die Beschwerdequote liegt gemessen am Gesamtfahrgastaufkommen im Promillebereich, die häufigsten Beschwerden betreffen dabei das Thema Pünktlichkeit. Es gibt natürlich auch Eltern, die sich beispielsweise darüber beschweren, dass ihre Kinder gedrängt in den Bussen stehen müssen.

Auf der Hindenburgstraße geht die Testphase, in der die Busse nur bergauf fahren und bergab die Steinmetzstraße benutzen, bald zu Ende. Wie ist Ihr bisheriger Eindruck? Ist das eine sinnvolle Lösung?

Marx Die Frage des Busverkehrs auf der Hindenburgstraße kann man unter sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten. Wenn die Aufenthaltsqualität auf der Hindenburgstraße verbessert werden soll, dann stört der Busverkehr ohne Frage. Jeder Bus weniger ist dann ein Vorteil, das können wir nachvollziehen. Für die Einzelhändler wiederum steht natürlich die Frage der Erreichbarkeit im Vordergrund. Sie hätten natürlich am liebsten eine Bushaltestelle direkt vor ihrem Laden. Rein betrieblich gesehen ist für uns die Hindenburgstraße ideal. Es gibt keine Störungen, die Busse haben freie Fahrt. Die Route über die Steinmetzstraße ist für uns unwirtschaftlicher, sie kostet uns im Jahr 300.000 Euro mehr. Aber letztendlich ist das eine politische Entscheidung. Wir fahren die Route, die politisch beschlossen wird.

Haben sich bisher viele Leute beschwert? Es gab ja einige Diskussion um diesen Test.

Marx Wir haben zur Auswertung des Testlaufs eine Fahrgastbefragung durchgeführt. Die Stadt wertet die Erfahrungen mit der Steinmetzstraße aus. Dann wird eine Entscheidung fallen. Bisher gibt es deutlich weniger Beschwerden als erwartet. In erster Linie geht es da um die längeren Wege, die ältere Mitbürger jetzt haben. Das Ganze ist sicher eine Kompromisslösung, aber ich persönlich vermute, dass es so bleiben wird.

Kindervatter Wenn man die Aufenthaltsqualität erhöhen will, gibt es auch wenig andere Möglichkeiten. Sonst hätte man die Frage vor zwanzig oder dreißig Jahren stellen müssen.

Marx Ja, dann hätte zum Beispiel der ZOB (Anm.: Zentraler Omnibus-Bahnhof) an eine andere Stelle gebaut werden müssen. Was wir sehen, ist das Ergebnis der Verkehrspolitik der 70er Jahre.

Bedauern Sie manchmal, dass Mönchengladbach und Rheydt die Straßenbahn abgeschafft haben?

Marx Die Straßenbahn könnte heute sicher eine Alternative sein. Aber die Infrastruktur ist weg.

Kindervatter Die Straßenbahn ist aber auch die teuerste Form der Fortbewegung. Wir setzen eher auf Elektrobusse.

Marx Wir arbeiten gerade an einer Konzeption: Es soll 2018 eine Linie geben, auf der die E-Busse getestet werden.

Wann ist dann mit einem flächendeckenden Einsatz von E-Bussen zu rechnen?

Marx Erst einmal sind zwei Fragen zu klären. Das eine ist die Direktvergabe der Konzession für den ÖPNV, die 2019 ansteht. Hier soll ja auf die europaweite Ausschreibung verzichtet werden und die NEW die Konzession von der Stadt direkt erhalten. Dafür wird gerade der neue Linienplan entwickelt. Außerdem ist von der Diskussion um Haus Westland und einen entsprechenden Bebauungsplan auch der ZOB betroffen. Sobald diese beiden Fragen geklärt sind, können wir darüber nachdenken, den ZOB mit Ladestationen für E-Busse auszurüsten.

Kindervatter Die Flächendeckung liegt auch dann noch in weiter Ferne. Wir haben zum Teil einfach sehr langlaufende Strecken. Da ist das Problem der Reichweite schwierig zu lösen. Übertrieben gesagt: Wenn die Batterie groß genug ist, können wir keine Fahrgäste mehr mitnehmen. Die Entwicklung der E-Mobilität geht zwar voran, wird aber wahrscheinlich aufgrund der höheren Stückzahlen eher von den PKW getrieben werden.

Herr Kindervatter, Sie gelten als Fan von E-Autos, fahren auch selbst einen Tesla. In Osnabrück und anderen Städten gibt es Schilder, die Freiparken für E-Autos versprechen. Gute Idee?

Kindervatter So etwas trägt zur Attraktivierung bei, aber eigentlich brauchen wir ein generelles Klima, das E-Mobilität begünstigt.

Marx Wir als NEW schaffen Dienstwagen mit alternativen Antrieben an, wo es Sinn macht.

Kindervatter Wenn man Elektroautos fährt, ändert sich die Haltung beim Fahren. Auf langen Strecken muss man das Tempo zügeln, um nicht immerzu aufladen zu müssen. Man fährt 130, kann dabei gepflegt Musik hören, weil der Elektromotor nicht zu hören ist und kommt entspannt an, weil das Auto vieles für den Fahrer übernimmt.

Für die NEW als Energieversorger ist die E-Mobilität aber auch ein wirtschaftliches Thema.

Marx Durchaus. Ein E-Fahrzeug hat den Stromverbrauch eines Ein-Familienhauses. Dafür müssen wir uns rüsten. Erst einmal aber gehen wir mit gutem Beispiel voran, setzen nicht nur E-Autos ein, sondern bauen auch 30 Ladesäulen in der Region, an denen man zumindest vorerst kostenlos laden kann.

Kindervatter Die E-Mobilität hat eine große Zukunft, denn E-Autos sind die Grundlage des autonomen Fahrens. Menschen werden ihre Autos rufen können, die dann selbstständig ausparken und sie vor der Tür abholen. So werden auch Menschen wieder mobil, die heute eingeschränkt sind. Für uns als Versorger stellt das aber auch große Herausforderungen an das Netz. Wenn vor jedem Haus ein E-Auto steht, verdoppelt sich der Stromverbrauch.

Wie entwickeln sich die Kundenzahlen bei der NEW? Sind die Mönchengladbacher treue Kunden?

Kindervatter Ja, an der NEW kommt man in Mönchengladbach nicht vorbei. Die ungestützte Markenbekanntheit liegt bei 95 Prozent. 75 bis 80 Prozent der Gladbacher sind nach wie vor bei der NEW. Und etliche, die zwischenzeitlich gewechselt hatten, kommen zurück. Wir werden als Versorger von nebenan wahrgenommen, haben aber auch Kunden aus ganz Deutschland. Etwa zwanzig Prozent unserer Kunden wohnen nicht in der Region. Die regionale Verwurzlung trägt aber zur Kundenbindung bei: Wir unterstützen Vereine und Veranstaltungen, wir kaufen auch regional ein, wenn möglich. Und wir gehen fair mit den Kunden um.

Wie werden sich die Preise entwickeln? Werden Sie sie erhöhen?

Kindervatter Der kleinste Teil der Preisentwicklung liegt in unserer Hand. Der Strompreis besteht zu 50 Prozent aus Steuern und Abgaben, zu 25 Prozent aus dem Netzentgelt und nur auf 25 Prozent haben wir Einfluss. Die Preisentwicklung ist immer noch von den Umlagen getrieben, vor allem von der für die erneuerbaren Energien. Zwischen dem Jahr 2000 und 2015 ist jeden Monat eine Milliarde Euro in die Förderung der erneuerbaren Energien geflossen. Und so wird es wohl auch weitergehen.

Wo werden sich die Energieversorger hin entwickeln?

Kindervatter Im Augenblick wird überall über "Smart Meter" nachgedacht, das sind intelligente Stromzähler, mit denen man den Verbrauch ständig überwachen kann, Stromfresser enttarnen und Tagesspitzen feststellen kann. Noch interessanter wird es, wenn die Daten für weitergehende Ziele eingesetzt werden. Beispielsweise dass, wenn sich der Stromverbrauch bei einem alten Menschen untypisch entwickelt, also morgens nicht die gewohnten Geräte in Gang gesetzt werden, ein Alarm dafür sorgt, dass jemand nachschaut. Das sind spannende Möglichkeiten. Wir werden ab Ende März unseren Kunden ein innovatives Smart-Meter-Produkt, das NEW SmartEView, anbieten.

Werfen Sie einmal einen Blick in die Zukunft: wie wollen Sie in fünf Jahren aufgestellt sein?

Kindervatter Wir wissen nicht, wo die Branche in fünf Jahren stehen wird, aber wir wollen eine Unternehmenskultur schaffen, die in der Lage ist, auf Veränderungen angstfrei zu reagieren. Es sollte ein Innovationsklima herrschen. Es hat in den letzten Jahren viele Einflüsse von außen gegeben und es ist uns immer gelungen, Erfolge aus den Veränderungen zu machen.

Marx Das Blauhaus ist der Startpunkt. Es zeigt, dass und wie die NEW in die Zukunft sieht.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN ANDREAS GRUHN, DENISA RICHTERS UND ANGELA RIETDORF.

(RP)
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