Redaktionsgespräch Jürgen Steinmetz Die IHK wird sich mehr einmischen

Mönchengladbach · Der neue Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein spricht über seine Ziele, die Regiobahn und Gladbachs neues Selbstbewusstsein.

Redaktionsgespräch Jürgen Steinmetz: Die IHK wird sich mehr einmischen
Foto: Ilgner Detlef

Herr Steinmetz, seit Ihrer offiziellen Einführung sind zwar nur einige Tage vergangen, aber wir möchten trotzdem wissen: Wie nehmen Sie Mönchengladbach wahr?

Jürgen Steinmetz Also erst einmal geht für mich persönlich natürlich ein kleiner Traum in Erfüllung, dass ich in meiner neuen Position nun so viel mit der Stadt Mönchengladbach zusammenarbeiten kann. Ich bin von Hause aus Fußballer und Gladbach-Fan. Die Stadt nehme ich sehr positiv wahr. Die Minto-Eröffnung hat in der Innenstadt viel bewegt, Gewerbeflächenpolitik und -vermarktung und die Ansiedlung von Unternehmen laufen gut. Auch das interkommunale Gewerbegebiet mit Jüchen ist ein Erfolg.

Trotzdem gibt es gewiss auch Herausforderungen.

Steinmetz Ja, sicher. Wir wollen auch in Zukunft einiges bewegen. Das Gewerbegebiet mit Viersen ist ein Beispiel. Das Thema Tourismus wollen wir auch verstärkt angehen. Wir finden, es kann nicht sein, dass der Niederrhein im Vergleich der Tourismus-Regionen in NRW nur Platz zehn von elf belegt. Da ist noch viel Luft nach oben.

Und die Verlängerung der Regio-Bahn? Die ist doch sicher auch Thema, oder?

Steinmetz Auf jeden Fall. Die Regiobahn muss sich dringend weiterentwickeln, auch auf Gladbacher Gebiet. Darauf wird sich über kurz oder lang auch die Stadt besinnen müssen.

In den vergangenen Jahren war die IHK sehr politisch. Beispielsweise bei der Bettensteuer oder auch der Regiobahn. Wollen Sie so weitermachen?

Steinmetz Wir werden das noch verstärken. Schließlich ist eine wichtige Säule der IHK-Arbeit auch die Interessenvertretung unserer Mitglieder. Im August haben wir deshalb ein Treffen mit den Bundestagsabgeordneten aus der Region verabredet. Da soll es dann beispielsweise um den Breitbandausbau und die Verkehrsinfrastruktur gehen. Und beim Thema der Gewerbesteuer werden wir uns natürlich auch weiterhin einmischen. Schließlich ist die Steuer mit 475 Punkten in Gladbach sehr hoch. Im Gegensatz zur Tourismus-Studie muss man in dieser Statistik keinen ersten Platz einnehmen (lacht).

Aber was ist die Alternative? Werden die Kommunen nicht immer an dieser Schraube drehen, so lange sie klamm sind?

Steinmetz Natürlich ist es immer einfacher, auf der Einnahmenseite etwas zu verändern als auf der Ausgabenseite. Ich vertraue auf die Kompetenz und Kreativität unserer Kommunen. Auch bei den gesetzlichen Ansprüchen gibt es Steuerungsinstrumente.

Gibt denn der Gewerbesteuerhebesatz wirklich den Ausschlag für ein Unternehmen, sich am Ort anzusiedeln oder nicht?

Steinmetz Das sehen wir ja am Beispiel Monheim. Die Stadt hat es geschafft, mit einem extrem niedrigen Hebesatz von 300 Punkten einen wirtschaftlichen Aufschwung zu erzielen. Natürlich ist das nicht das Allheilmittel. Auch die anderen Standortfaktoren müssen stimmen. Aber eine hohe Gewerbesteuer wirkt schon abschreckend.

Der Ausbau der S 28 ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt. Welche Überlegungen gibt es im Bereich Infrastruktur noch? Ist auch der Flughafen Thema?

Steinmetz Wir haben schon ein Auge auf den Flughafen, sind aber auch realistisch genug, um zu erkennen, dass dort kurz- und mittelfristig erstmal keine außerordentliche Entwicklung zu erwarten ist. Der Schwerpunkt liegt da ganz klar auf dem Flughafen Düsseldorf.

Und innerstädtisch?

Steinmetz Die Stadt ist gut beraten, eine optimale Infrastruktur zu bieten. Die Verkehrsanbindung der innerstädtischen Gewerbegebiete muss daher besser werden. Ich finde, wir sollten uns generell weniger Gedanken machen, welche Unternehmen wir ansiedeln wollen. Die Wirtschaft ist schon kreativ genug, die Voraussetzungen optimal zu nutzen. In den vergangenen Jahren sind beispielsweise viele Logistik-Unternehmen gekommen und haben viele Arbeitsplätze geschaffen. Ich weiß, diese Unternehmen werden oft als "Flächenfresser" bezeichnet, die zu viel Fläche im Verhältnis zu ihrer Mitarbeiterzahl einnehmen. Aber das stimmt nicht: Nur 3,78 Prozent der Flächen in Gladbach sind Gewerbe- und Industrieflächen. Diese Vorurteile sind also falsch.

Kann man sagen, dass die Logistikbranche das moderne Äquivalent zur Textilbranche in Mönchengladbach geworden ist?

Steinmetz Das passt nicht ganz. Logistik ist die neue Querschnittsbranche. Dort findet ja weit mehr als nur Transportgewerbe, sondern auch Distribution, Konfektionierung und auch viel Wertschöpfung statt.

Trotzdem ist die Arbeitslosenquote in Gladbach weiterhin sehr hoch. Was kann man dagegen tun?

Steinmetz Das Wichtigste ist, gute Voraussetzungen zu schaffen, damit Unternehmen hier eine gute Basis finden. Die Arbeitslosenquote ist nicht nur so hoch, weil die Wirtschaft kein Angebot macht, sondern auch, weil die Unternehmen keine adäquat qualifizierten Mitarbeiter finden. Das Jobcenter und die Agentur für Arbeit müssen hier mitwirken und schauen, welche Qualifizierung nötig ist.

Welche Rolle spielt in dem Kontext die Demografie?

Steinmetz Sie ist einer der vielen Megatrends, die zurzeit auf die gesamte Wirtschaft ausstrahlen. Dazu gehören beispielsweise auch die Internationalisierung, die Energiewende oder auch die Digitalisierung. Wir müssen immer schauen, wie wir den Fachkräftebedarf decken können. Arbeitgeber sollen nicht in die Situation kommen, ihr Unternehmen nicht weiter entwickeln zu können.

Von den drei großen Städten im IHK-Bezirk Mönchengladbach, Krefeld und Neuss war Gladbach ja lange die, die sich hinter den anderen versteckt hat. Wie sehen sie das: Hat Gladbach die anderen beiden mittlerweile hinter sich gelassen?

Steinmetz Man kann definitiv sagen: Mönchengladbach geht im Moment richtig ab, Mönchengladbach ist Champions League. Das mangelnde Selbstbewusstsein der Mönchengladbacher und Krefelder habe ich allerdings noch nie verstanden. Das kenne ich aus Neuss nicht.

Bevor Sie zur IHK kamen, waren Sie Vertreter des Landrates im Rhein-Kreis Neuss. Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Ihrem früheren und Ihrem jetzigen Job?

Steinmetz Ich kann mich nun noch stärker auf die Themen konzentrieren, die mir immer schon Spaß gemacht haben, und muss weniger zwischen einzelnen Interessen abwägen. Ich bin froh, dass ich jetzt noch stärker regional arbeiten kann und nicht mehr Vize bin.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Arbeit setzen?

Steinmetz Wie schon erwähnt, gibt es die Megatrends, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Außerdem will ich die Säule der Interessenvertretung stärken. Im Kreis Viersen und auch bei unseren Mitgliedern wollen wir noch stärker wahrgenommen werden. Wir werden die Metropolregion Rheinland voranbringen, und alles rund um das Thema Bildung ist für uns auch sehr wichtig. Wir müssen die duale Berufsausbildung stärken. Es kann doch nicht sein, dass Unis für Studenten eine Prämie bekommen und unsere Berufsschulen gleichzeitig so schlecht ausgestattet sind.

RALF JÜNGERMANN, JAN SCHNETTLER UND LAURA SCHAMEITAT FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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