Serie Was Macht Eigentlich? Die Jagd in der Nacht und die Tour de France

Das Radfahrerfieber hat Deutschland wieder ergriffen, auch Mönchengladbach. Doch was Radrennsport angeht, ist die Stadt immer noch tiefe Provinz. Das war aber nicht immer so.

Radfahren war schon einmal Volkssport in Deutschland. 1923 wurde die Radrennbahn im Volksgarten gebaut. Damals gab es im alten M. Gladbach 16 (sechzehn!) Radsportvereine. Ihre große Blütezeit, in der sie über die Region hinaus bekannt wurde, erlebte die Volksgartenbahn in den 50er und 60er Jahren. Im Februar diesen Jahres nun wurde sie, nach jahrzehntelangem Verrotten, abgerissen. Jetzt werden dort Wohnhäuser gebaut.

"Schade, dass alles so untergegangen ist", sagt Heinz Theisen. Er gehörte zur stolzen Reihe von Rennfahrern, die auf der Volksgartenbahn als Lokalmatadoren gefeiert wurden, mit Leuten wie dem deutschen Radsportidol Rudi Altig. Höhepunkt war viele Jahre die weit über die Stadt hinaus bekannte "Jagd in der Nacht", ein Mannschaftsrennen nach Sechstage-Art mit internationalen Spitzenfahrern, das stets tausende Besucher anlockte - 1950 bei der Zweitauflage nach dem Debüt 1938 waren es sogar 10.000. "Da herrschte immer eine super Atmosphäre", sagt Theisen, dessen Partner der Krefelder Ehrenfried Rudolph war, der spätere Weltmeister bei den "Stehern".

Bei Steherrennen fährt der Radrennfahrer auf der Bahn hinter einem speziell ausgerüsteten Motorrad, dessen Fahrer ihm stehend Windschatten gibt. Dabei werden Geschwindigkeiten von 70 km/h erzielt. Die Radrennfahrer werden durch eine Abstandsrolle auf möglichst geringe Distanz zum Motorrad gehalten. Bei Derny-Rennen wird ebenfalls im Windschatten eines Schrittmachers gefahren, aber ohne Rolle und auf der Straße mit Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h über eine große Distanz - wie 1997 in Amsterdam, wo das über 120 Kilometer führende Rennen für Heinz Theisen so böse endete.

Die "Jagd in der Nacht" ist seit 1969 Geschichte. In Mönchengladbach gibt es mittlerweile nur noch ein Radrennen im Jahr, in Lürrip. Doch jetzt werden nicht nur bei Heinz Theisen Erinnerungen wach: Die Tour de France, das berühmteste Radrennen der Welt, rollt am 2. Juli auf dem Weg von Düsseldorf nach Lüttich quer durch die Stadt, 20,5 Kilometer weit mit einer Sprintwertung auf der Bismarckstraße.

Ein Ereignis, das sich Heinz Theisen natürlich nicht entgehen lassen wird. Er wird an der Ecke Stern-, Burggrafen- und Waldnieler Straße Ehrengast sein, wo sein alter Weggefährte Siegbert Zimmer vor seinem Kfz-Sachverständigenbüro einiges bieten wird. "Wir werden auch den inoffiziellen Bergpreis ausschreiben. Hier ist der höchste Punkt der Tour in Mönchengladbach", sagt Zimmer. Und hofft mit Heinz Theisen, dass die Tour de France dem Radrennsport in Mönchengladbach wieder Schwung verleihen wird.

(oes)
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