Mönchengladbach Die letzte Ruhestätte

Mönchengladbach · Es gab einen Festakt in aller Stille: Zur Eröffnung der Grabeskirche St. Elisabeth am Samstag erlebten hunderte Besucher zum ersten Mal die eigentümliche Atmosphäre in dem sehr hellen und modernen Kirchenraum, der für 1624 Tote gedacht ist.

 Pfarrer Wolfgang Bußler, Dr. Kerstin Gernig (Geschäftsführerin Kuratorium Deutsche Bestattungskultur) und Frank Cremers, Geschäftsführer der Grabeskirche bei der Eröffnungsfeier in St. Elisabeth.

Pfarrer Wolfgang Bußler, Dr. Kerstin Gernig (Geschäftsführerin Kuratorium Deutsche Bestattungskultur) und Frank Cremers, Geschäftsführer der Grabeskirche bei der Eröffnungsfeier in St. Elisabeth.

Foto: Markus Rick

Der Lärm kommt von draußen. Busse fahren vorbei, Sirenen eines Krankenwagens dringen durch die Tür hinein, doch irgendwie wird die Atmosphäre in dieser hell-weißen Kirche nicht gestört von den weltlichen Signalen des Alltags. Sie bleiben draußen. Es ist still in Gladbachs erster Grabeskirche, still wie auf dem Friedhof, obwohl hunderte Menschen in den Kirchenbänken Platz genommen haben.

Die zusätzlich aufgestellten Stühle reichen gerade aus. Kaum jemand wagt zu flüstern. Die Leute atmen den Duft frischer Farbe ein, die Arbeiten haben bis vor ein paar Minuten gedauert. Und sie werden in dieser Woche noch andauern, Kleinigkeiten, sagt Architekt Dr. Burkhard Schrammen. Und doch steht die Grabeskirche, sie ist fertig und wurde am Samstagabend eröffnet und gestern Nachmittag eingeweiht.

Der Respekt vor dieser umgewidmeten Kirche, Gladbachs erster und Deutschlands fünfter Grabeskirche, ist riesengroß. Auf dem Friedhof, ja da ist man still. Wie geht man aber mit einem sakralen Raum um, in dem bald 1624 Urnen, die Überreste Verstorbener, Platz finden sollen? Ihre letzte Ruhe, gewissermaßen. Andere Kirchen sind Einkaufszentren geworden, Wohnungshäuser, laut. Die Grabeskirche ist leise.

Das sehr helle Licht nimmt der Stille aber irgendwie seine Schwere. Pfarrer Wolfgang Bußler aber spricht durch das Mikrofon die Eröffnungsworte des Festaktes, es ist sehr leise eingestellt, in den hintersten Reihen versteht man ihn kaum. Er spricht vom Wehmut, als die vorerst letzte Messe in St. Elisabeth gefeiert wurde. Er sagt: "St. Elisabeth bleibt eine Kirche, nur in anderer Funktion. Sie bleibt Symbol des gemeinsamen Glaubens."

Ein Techniker hastet in den Nebenraum, stellt das Mikrofon lauter, man versteht die Redner jetzt besser. "Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl, als ich in diese Kirche gekommen bin", sagt Dr. Kerstin Gernig, die Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur hält ihren Vortrag. Sie spricht lauter, keine Sirenen mehr von draußen. "Vor 50 Jahren war das undenkbar, aber die Kirche wie die Bestattungskultur sind einem Wandel unterworfen."

Manche nicken. Sie redet verständlich, nennt viele Zahlen über Kremationen und Anonymbestattungen. Es ist mehr ein Referat als eine Festrede. Aber was sie eigentlich damit sagen will, kommt ganz zum Schluss und lässt die Leute aufhorchen: "Es gibt nur zwei Orte, die uns an unsere Sterblichkeit erinnern: die Kirche und der Friedhof. Und wir sind dabei, beides aufzugeben." Gemurmel. "Die Grabeskirche bewahrt diese symbolische Funktion in ihrer doppelten Bedeutung." Aufatmen.

Ja, St. Elisabeth hat jetzt eine Zukunft. Sie beginnt am Samstagabend um 21.03 Uhr, als Pfarrer Bußler und der Pfarrgemeinderat eine Kerze zur Plastik der Heiligen Elisabeth am Ende der Kirche tragen. Sie symbolisiert das siebte Werk der Barmherzigkeit, das Totengedenken. Das Licht ist aus, Stille, als die Kerze durch die Kirche getragen wird. Wie auf dem Friedhof. "Unser Zeichen, dass wir diese Aufgabe wahrnehmen", sagt Pfarrer Bußler. Die erste Bestattung ist schon übermorgen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort