Mönchengladbach Edmund Erlemann ist Gladbachs Bester

Mönchengladbach · Unter 50 von RP-Lesern vorgeschlagenen Mönchengladbachern ist er der Beste: Edmund Erlemann, ehemaliger Regionaldekan und ständiger Streiter für die Armen und Benachteiligten, konnte die meisten Stimmen für sich gewinnen. Auf Platz zwei landete Gülistan Yüksel, Vorsitzende des Integrationsrats, auf dem dritten Ermittler Ingo Thiel.

 Edmund Erelemann wurde von den RP-Lesern zum Sieger gekürt.

Edmund Erelemann wurde von den RP-Lesern zum Sieger gekürt.

Foto: Ilgner

Herr Erlemann, Sie sind Gladbachs Bester! Was löste die Auszeichnung bei Ihnen aus?

Erlemann Zunächst eine Art von Schock (lacht). Nein, aber ich habe damit wirklich überhaupt nicht gerechnet. Zwischen so vielen erlauchten Persönlichkeiten ein so kleines Licht wie ich. Und ich gewinne dann auch noch. Es ist kaum zu fassen.

Warum, glauben Sie, halten die Menschen Sie für Gladbachs Besten?

Erlemann Ich denke, das liegt zum einen daran, dass viele Menschen den Volksverein und damit mich kennen. Der Verein ist ja inzwischen so etwas wie ein Markenzeichen für Gladbach geworden. Viele Menschen identifizieren sich mit ihm. Jedes Jahr nehmen Volksverein und die Stiftung Volksverein ungefähr 400 000 Euro an Spenden an. Zum anderen wird mein Name immer im Zusammenhang mit Arbeits- und Wohnungslosen, mit den Benachteiligten unserer Gesellschaft, gesehen. Auch dies könnte ein Grund für die Wahl sein.

Woher kommt der Impuls, sich für jene Menschen besonders einzusetzen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen?

Erlemann Das zieht sich ja wie ein roter Faden durch mein Leben. Allerdings habe ich diesen Faden nicht selber gewoben. Als ich 1960 nach meinem Studium als Neugeweihter nach Aachen kam, begegnete ich vielen Menschen, die hart um ihr Leben kämpfen mussten. Ich hatte zwar von meinem Studium her viele Antworten, aber keine einzige auf die Fragen, die diese Menschen hatten. Ich stand also vor der Wahl: Entweder ich bleibe auf meinem damals konservativen Weg und mache vielleicht sogar Karriere — oder ich bekehre mich zu den Menschen. Ich wählte das zweite.

Das soziale Element ist für Sie also ganz eng mit dem Priestertum verbunden?

Erlemann Ja, selbstverständlich! Ich halte es immer noch für einen der größten Fehler der katholischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg, die Caritas auszugliedern und von der Pastoral zu trennen. Es gibt keine Messe ohne Caritas, ohne Liebestätigkeit. Alle Lebensvollzüge der Kirche müssen stets diakonisch sein, das heißt: Sie müssen dem Menschen dienen, ihm helfen.

Gab es Momente, in denen Sie mit der Kirche oder mit dem Glauben gehadert haben?

Erlemann Das war häufig der Fall. So haben 22 Priester und Pastoralarbeiter in einer Gehaltsverzichtsgruppe für zehn Jahre nur das Gehalt eines Industriearbeiters ausgezahlt bekommen. Freiwillig haben wir auf einen Großteil unseres Gehalts verzichtet, weil wir dachten, wir sollten so leben wie die kleinen Leute — und wir könnten vielleicht helfen, die Gehaltsstrukturen der Kirche zu verändern. Irgendwann allerdings wurde das Bistum durch die Finanzverwaltung gezwungen, unseren Gehaltsverzicht zu beenden. Später haben uns dann die Gerichte allerdings Recht gegeben.

Mönchengladbach ist hoch verschuldet. Haben Sie Verständnis dafür, dass viele wichtige Angebote nicht mehr finanzierbar sind?

Erlemann Ich habe schon den Eindruck, dass unsere Stadt — wie aber auch die Kirche — auf dem Weg nach unten ist. Ich bin schon empört darüber, dass viele Menschen so beschränkt leben müssen wie von Hartz IV. Seltsam ist, dass für das, was "die da oben" wollen, immer Geld da ist. Zum Beispiel für den Krieg in Afghanistan. Oder aber für die Rettung der Banken. Da sind doch Milliarden in unvorstellbaren Mengen vorhanden. Traurig bin ich auch über die Entwicklung in unserer Kirche, die durch die neuen Großgemeinden immer anonymer wird, der immer mehr Menschen den Rücken kehren und in der es vielen, Priestern und Laien, schlechtgeht.

Sie benutzten gerade das Wort "empört". War die Empörung für Sie immer auch eine Art Antrieb?

Erlemann Ja, ohne sie geht es nicht.

Haben Sie eigentlich bei unserer Wahl mit abgestimmt? Wen haben oder wen hätten sie gewählt?

Erlemann Nein, ich habe nicht mit abgestimmt. Aber ich bin fest davon ausgegangen, dass eine Fußballgröße gewinnen wird. Ich hätte entweder für Franz Brandts abgestimmt oder aber ebenfalls für jemanden von Borussia.

Gülistan Yüksel lag lange vorne. Wäre Sie in Ihren Augen auch eine würdige Preisträgerin gewesen?

Erlemann Aber ja doch! Ich freue mich riesig darüber, dass sie so viele Stimmen erhalten hat. Das zeigt doch, dass die Menschen nachgedacht haben, bevor sie abstimmten. Das ist ein hervorragender Beweis für die Integration in Gladbach. Ich glaube nicht, dass das in vielen anderen Städten möglich wäre.

Nun haben Sie einen weiteren Beleg dafür, dass die Stadt Sie mag. Was mögen Sie an der Vitusstadt?

Erlemann Ich mag die Gladbacher sehr. Die soziale Bewegung hier in der Stadt ist nie erloschen. Wenn irgendwo eine Notsituation ist, sind sehr schnell viele Menschen da, die helfen. Einmal benötigte ein blinder Mann aus Bagdad, der acht Kinder zu versorgen hatte, dringend eine Augen-Operationen. Sie kostete allerdings 10 000 DM. Innerhalb von wenigen Tagen hatten wir das Geld beisammen.

Wie beurteilen Sie den Umgang mit Randgruppen in der Stadt?

Erlemann Ich habe in der Hinsicht keinen Grund mich zu beschweren. Zwar höre ich oft von Menschen, dass Sie sich bei der Arbeitsagentur gedemütigt und schlecht behandelt fühlen. Aber dazu kann ich natürlich nichts sagen. Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass die Stadt unsozial sei. Man muss ja auch immer sehen, was eine Stadt überhaupt zu leisten imstande ist.

Sie befinden sich eigentlich schon länger im Ruhestand. Doch auch heute arbeiten Sie mehr als 40 Stunden in der Woche. Wie entspannen Sie sich?

Erlemann Ich übernehme viele Taufen, Trauungen, und leider muss ich auch viele liebe Menschen beerdigen. Ich habe einmal die Entscheidung getroffen, dass ich bei persönlichen Angelegenheiten niemals "Nein" sage. Das ist für mich schlicht einfacher durchzuhalten, als sich bei jedem Einzelfall wieder zu überlegen, ob man es tut oder nicht. Jeden Morgen und jeden Abend nehme ich mir eine Auszeit für das Gebet und die Meditation. Ohne diese Auszeiten würde ich nicht überleben. Das Gebet und die Bibel sind meine Kraftquellen. Nun ist ja aber auch fast alles, was ich mache, schön. Es ist ja keine Maloche oder Sklavenarbeit.

Wenn Sie mit der gewonnenen Wahl "Gladbachs Beste" nun plötzlich drei Wünsche freihätten, was würden Sie sich wünschen?

Erlemann Ich würde mir erstens wünschen, dass sich die Haltung gegenüber Menschen, die im Abseits stehen, noch weiter zum Positiven entwickelt, dass insbesondere ihre Menschenwürde immer geachtet wird. Zweitens würde ich mir wünschen, dass sich die Bereitschaft zur Gastfreundschaft gegenüber "Fremden" nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa vermehrt. Mein dritter Wunsch: Es möge sich die Einsicht durchsetzen, dass der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form die Welt vor die Wand gefahren hat.

Wie werden Sie die Wahl zu Gladbachs Bestem feiern?

Erlemann Wir wollen am Dienstag, dem 8. November, um 19 Uhr im Brandtskapellchen auf der Rudolfstraße zu einem Gottesdienst zusammenkommen und nachher weiter feiern: ein kleines Fest im Gelände beim TaK, dem Treff am Kapellchen. Alle sind herzlich eingeladen: Kandidaten, Wählerinnen und Wähler, Volksverein und TaK, die Wohnungslosen und dat janze Volk!!

Fabian Eickstädt, Dirk Richerdt, Jan Schnettler und Elfi Vomberg führten das Gespräch.

(RP/rai/rl)
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