Denkanstoss Ehrfurcht vor dem Leben

Mönchengladbach · Der Autor erinnert an den Mediziner Albert Schweitzer, der vor 50 Jahren starb. Sein Respekt vor allen Lebewesen sei in Zeiten großer Flüchtlingsströme aktueller und wichtiger denn je.

 Mit diesem Bild setzt sich die Oettinger-Brauerei, die auch einen Standort in Gladbach hat, gegen Rassismus ein. Der Autor des Denkanstoßes spricht sich ebenfalls für mehr Toleranz und Respekt aus.

Mit diesem Bild setzt sich die Oettinger-Brauerei, die auch einen Standort in Gladbach hat, gegen Rassismus ein. Der Autor des Denkanstoßes spricht sich ebenfalls für mehr Toleranz und Respekt aus.

Foto: Oettinger

Ein Wespenstich ist nicht nur ärgerlich, sondern auch schmerzhaft. Vergällt einem die Freude am Sitzen im Freien. So manche Mücke hat dank meines Blutes ihr Leben verlängert. Und wie viele fette Fliegen haben durch ihr Gebrumme meinen Schlaf unmöglich gemacht. Wie gerne hätte ich sie erledigt - in der Regel war ich aber zu langsam. Und hätte andernfalls ein schlechtes Gewissen haben müssen.

Heute vor 50 Jahren starb Albert Schweitzer. Kein berühmter Biologe, wie man nach meiner Einführung vermuten könnte. Sondern einer der letzten Universalgelehrten unserer Zeit. Den meisten vermutlich bekannt als "Urwalddoktor aus Lambarene", einem Ort nahe dem Äquator im heutigen Gabun. Dort baute er aus dem Nichts ein Krankenhaus in den Urwald, finanziert etwa durch ausgeprägte Konzertreisen. Er war ein begnadeter Organist und Bach-Kenner, gastierte auch zweimal in Mönchengladbach.

Viele Zeitgenossen hielten ihn für verrückt. Er hatte eine glänzende universitäre und gesellschaftliche Karriere in Straßburg vor sich, entschloss sich aber nach den Studien der Theologie, Philosophie und Musikwissenschaft im Alter von 30 Jahren (!) zum Studium der Medizin, um Menschen in Afrika helfen zu können (als Missionar, sein eigentlicher Wunsch, wurde er nicht zugelassen).

Sein Motto lautete: "Ehrfurcht vor dem Leben - Ich bin Leben, das leben will inmitten von Leben, das leben will."

Und das galt für ihn radikal: nicht nur für Menschen, sondern genauso für Tiere und Pflanzen. Wenn er in seinem Hospital einen Pfosten für ein neues Haus in den Boden setzen musste, wurde erst nachgeschaut, ob nicht ein Insekt darin saß.

Dieser Wille, unbedingt Leben zu erhalten, gab ihm die Kraft, gegen alle Unwirtlichkeiten anzugehen. Zusammen mit Albert Einstein setzte er sich aus diesem Grund auch gegen die Atombombe ein und wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Wie bei vielen Genies war er kein einfacher Charakter. Aber von einnehmenden Wesen und weltweit geachtet.

Was heißt nun "Ehrfurcht vor dem Leben" für uns heute? Respekt vor ALLEM Leben, sei es eine Wespe, Mücke oder Fliege (!), sei es eine Blume am Wegesrand oder Unkraut, seien es unsere Mitmenschen. Gerade die, die es uns nicht leicht machen. Gerade die, die in Not sind. Unsere Gemeinde, deren Gemeindehaus nach Albert Schweitzer benannt ist, versucht dies bestmöglich umzusetzen. Wir laden alle ein, in unserer kleinen Ausstellung der "Ehrfurcht vor dem Leben" nachzuspüren und ihr auch zu folgen. Gerade in diesen Tagen!

DER AUTOR IST EVANGELISCHER PFARRER IN HARDT.

(RP)
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