RP-Serie Theaterkarrieren: Gespräch mit Bruno Klimek Ein hochkonzentrierter Regie-Arbeiter

Mönchengladbach · Der Regisseur Bruno Klimek war Mitte der 1980er-Jahre Spielleiter am Theater Krefeld/Mönchengladbach. Auch danach kehrte er mehrfach zurück, um hier zu inszenieren. Heute ist Klimek (55) Dekan an der Folkwang-Uni der Künste in Essen.

 Ulrich Elsen (r.) ehrt Klimek mit dem Theater-Oscar für seine Inszenierung des Schauspiels "Virginia Woolf".

Ulrich Elsen (r.) ehrt Klimek mit dem Theater-Oscar für seine Inszenierung des Schauspiels "Virginia Woolf".

Foto: Ilgner

Sie haben unter Intendant Eike Gramss 1985 zum ersten Mal an unserem Theater inszeniert. Damals waren Sie sehr jung, aber kein Anfänger mehr. Welchen Stellenwert besitzt Ihre Inszenierung "Bruder Eichmann" für Ihre Karriere?

Bruno Klimek "Bruder Eichmann" hat für mich nach wie vor erheblichen Stellenwert. Zum einen habe ich noch gut in Erinnerung, wie mich die Thematik gefesselt und bis zum heutigen Tag nicht losgelassen hat. Es war der Beginn meiner dann langjährigen Zusammenarbeit mit einigen wunderbaren Schauspielern wie Detlev Greisner und Karin Kaiser. Es war meine erste große Inszenierung an einem ,fremden' Theater. Vorher hatte ich hauptsächlich am Nürnberger Theater inszeniert, wo ich als Regieassistent engagiert war. Außerdem habe ich bei "Bruder Eichmann" zum ersten Mal sehr konsequent die konzentrierte, von manchen Kritikern als puristisch verunglimpfte Erzählweise ausprobiert, die später viele meiner Inszenierungen geprägt hat.

Welche weiteren Inszenierungen hatten Sie in Krefeld/Mönchengladbach seither gemacht, bevor Sie nach längerer "Pause" 2007/08 hier die Verdi-Oper "Aida" und 2009 "Die Troerinnen" herausbrachten?

Klimek Dem "Bruder Eichmann" folgte Enzensbergers "Der Untergang der Titanic" im Theaterzelt Krefeld vor der Heeder'schen (damals noch: Peters'schen) Fabrik, eine Inszenierung, die mir ob ihrer choreografischen Elemente bei den beteiligten Darstellern den Spitznamen "Bruno Bausch" einbrachte. Dann hatte ich — wie der damalige Schauspielchef Raymund Richter es genannt hat — mein ,Meisterstück' zu stemmen: "Marat / Sade" von Peter Weiss, eine Produktion, in der während der meisten Proben ca. 60 Mitwirkende ständig auf der Bühne waren. Für mich eine unglaublich anstrengende Konzentrationsherausforderung und eine gute Vorübung für spätere Operninszenierungen mit großer Chorbeteiligung wie "Aida" oder "Lady Macbeth von Mzensk" in Nürnberg. Die nachfolgende, nicht unumstrittene Arbeit, "Molières Eingebildeter Kranker", war Anlass für Nicolas Brieger, den neuen Schauspielchef am Nationaltheater Mannheim, mich als Oberspielleiter zu engagieren. In KR/MG inszenierte ich noch einen Brechtabend im Theaterzelt, Hauptmanns "Die Ratten" und "Vor dem Ruhestand" von Thomas Bernhard, bevor ich 1987 nach Mannheim ging. 20 Jahre später meldete ich mich mit Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" zurück, eine Inszenierung, für die ich auch das Bühnenbild entworfen hatte und die mit drei Theater-Oscars der Rheinischen Post ausgezeichnet wurde: Ines Krug und Sven Seeburg erhielten jeweils einen Theater-Oscar für ihre umwerfende Schauspielkunst und ich einen für die Regie.

"Die Troerinnen" von Euripides brachten Sie zuerst in Krefeld heraus, dann wurde es in die Ausweichspielstätte TiN im Nordpark verfrachtet. Was hielten Sie von dieser Entscheidung der Mönchengladbacher Verwaltung?

Klimek Es war grässlich. Mir ist bis heute unbegreiflich, warum nicht das sympathische und atmosphärische Schauspielhaus in der Innenstadt, in dem alle meine großen Inszenierungen in den Achtzigern zuerst herauskamen, als Ausweichspielstätte hergerichtet wurde. Das Unding im Nordpark war vollkommen ungeeignet und eine Zumutung für Zuschauer und Theaterleute. Ein kulturpolitisches Debakel.

Welche Arbeiten sehen Sie als Ihre wichtigsten an? Eher die Schauspiele (und welche?) oder Werke des Musiktheaters?

Klimek Es gibt viele Schauspielinszenierungen, an die ich mich gerne erinnere, und viele Operninszenierungen, für die ich mich nicht schäme. Es gibt wenige Arbeiten, die ich für misslungen halte. Aber ich bin froh, dass Theater die vergänglichste aller Kunstformen ist. Theaterkunst altert schnell. Mehr als über frühere Arbeiten freue ich mich auf kommende.

Inzwischen haben Sie als Professor an der Folkwang Universität der Künste Essen andere Aufgaben. Wodurch unterscheidet sich die Lehrtätigkeit von der künstlerischen Arbeit auf Bühnen? Inszenieren Sie noch?

Klimek Seit 2006 bin ich an der Folkwang Universität der Künste in Essen Professor für Szenische Ausbildung im Bereich Gesang/Musiktheater, das heißt: Ich unterrichte mit großer Freude szenische Darstellung und szenische Arien-Interpretation für Gesangsstudierende. Die Lehrtätigkeit hat mehr mit Schauspielpädagogik zu tun als mit Regieführen. Aber ich inszeniere regelmäßig an der Hochschule und an verschiedenen Theatern. Seit ich als Dekan — seit 2011— den Fachbereich Darstellende Künste leite, inszeniere ich allerdings weniger. Derzeit bereite ich unter anderem eine Inszenierung von Mozarts "Così fan tutte" für die Volksoper in Wien vor.

Könnten Sie sich vorstellen, erneut an den Vereinigten Bühnen eine Regiearbeit zu übernehmen?

Klimek Jederzeit.

DIRK RICHERDT STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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