Mönchengladbach Ein Kunst-Marathon beim "Parc/ours"

Mönchengladbach · Ein Wochenende lang lud Mönchengladbachs Kunstszene ein, in 40 offenen Ateliers und an elf Kunstorten die Vielfalt des kreativen Schaffens vor Ort zu entdecken. Wir besuchten drei Ausstellungsorte und stellen die Kunstwerke vor.

Kondition war zum parc/ours-Wochenende gefragt, um Distanzen zwischen kreativen Ballungszentren und den südlichen wie nördlichen Ausläufern der Stadt zu überwinden. Der geschwungene Aufgang zum Café Bisquit im Kulturzentrum BIS war nur eine von vielen Treppen, die es zu nehmen galt - an der Bismarckstraße, um starke Farben in dynamisch wirbelnder Ausstrahlung zu entdecken.

"Freebird" nennt die freiheitsliebende Nina Juraga ihren Part, der noch über den Parc/ours hinaus bis zum 20. Dezember zu sehen ist. Für die quirlige Künstlerin mit kroatischen Wurzeln ist die Präsentation beinahe ein Heimspiel: Sie wurde 1975 in Rheydt geboren. Lebte allerdings nur wenige Jahre lang in der Stadt, ist momentan Wahlberlinerin und hat "überall da in Deutschland gewohnt, wo man so ist".

Durchs Fernsehen dürfte die Schauspielerin vielen bekannt sein über Rollen in "Verbotene Liebe", "Rettungsflieger" und "Soko Leipzig. Nebenher hat sie immer gemalt und sich das Rüstzeug autodidaktisch erarbeitet. Das quirlige Wesen der zierlichen Blonden scheint sich in den Bildern zu spiegeln. Dabei malt sie einerseits explosiv frei, während parallel auch gliedernde Farbquadrate auftauchen - doch niemals streng, sondern durch Farbnasen und diffuse Nebel relativiert. "Manchmal habe ich Lust auf eine ganz bestimmte Farbe, manchmal lasse ich mich einfach überraschen", bekennt sich Juraga zur Spontanität.

Zwei Kleinformate mit landschaftlicher Assoziation erinnern an eine Phase, in der sie bevorzugt glühendes Rot/Orange und ein wenig Gold wählte. Zurzeit hat Juraga es mehr mit Silber im Wettstreit mit Leuchtfarben. Sie weiß schon jetzt: "Das wird sich auch wieder ändern. Ich lasse mir freien Lauf".

Im Atelierhaus Steinmetzstraße herrschte betriebsame Enge, da gleich neun Künstler zum Schauen und Verweilen einluden. Im Flur machte Angel Richter mit großformatigen Bildern und Figuren neugierig auf das, was in ihren drei Räumen zu entdecken ist. Die vierteilige Bildfolge "One world - one dream" ist beispielhaft für ihren Umgang mit Figürlichkeit und Abstraktion, Raum und Fläche, Präsenz und Auflösung. Charakteristisch ist auch die dargestellte Betriebsamkeit von Personen, die durch Straßen hasten und deren vom Bildrand angeschnittenen Gesichter fast durchweg anonym bleiben. Beim Bild im Flur ist das Thema um eine offensichtliche Internationalität ergänzt. "Ich will zeigen, dass man sich heute nicht mehr abschotten kann und sollte", sagt die Künstlerin dazu.

Neu ist, dass sie das Thema der Rastlosen auf plastische Einzelfiguren aus Stahl und im flachen Profil überträgt. Hier dominieren die Frauendarstellungen, doch das sei Zufall, sagt die Künstlerin beinahe überrascht. Sie hat auch schon männliche Pendants gearbeitet, doch die sind noch nicht gegossen. "Das hat mich total erwischt", sagt Angel Richter zur neuen Serie. Hier, wie auch mit ihren Bildern, will sie die Gesellschaft wiedergeben, reagieren.

Einen Überblick "en miniature" bot der Projektraum EA 71 an der Eickener Straße. Hier waren immerhin 32 der insgesamt 39 Akteure mit Kleinformaten vertreten. Die Vielfalt wurde mit überwiegend aktuellen Arbeiten von 2015 komprimiert verdichtet und zugleich in bewussten Kontrasten und Dialogen übersichtlich ausgebreitet. Von der Decke pendelte sachte Ora Avitals "Hangover": Ein schlichter Drahtbügel wurde zum Trapez für die aus komplexem und feinteiligem Drahtgeflecht erschaffene Figur.

Rita Wilmesmeier, die ihr Atelier im ehemaligen Menge-Haus hat, zeigte im Kleinformat, wie sie mit bemalten Kunststoffgeweben den Wechsel von Hervorheben und schemenhafter Zurückhaltung umspielt, während sich das Bildobjekt einem Kissen gleich vorwölbt. Heiner Koch beschränkte sich hier auf ein kleines Schwarzes, ein monochromes Quadrat mit subtil aufgelegten Lineaturen und Verläufen. Wil Albertz' Tonskulptur mit bewegt plastischer Struktur fand ihren Kontrast im Wandobjekt gegenüber, in Karl-Heinz Hemings "Schnittobjekt" aus Kirschholz. Das strahlt über klar gegliederte Schnittstellen Ruhe aus.

Das Künstlerduo Link & Kress reizte in der Fotografie die Miniaturform extrem aus und weckte zugleich mit dem winzigen Aktfoto vielfältige Assoziationen. Nur ein Stockwerk höher konnte der Besucher in deren Atelier den Eindruck vertiefen und feststellen, dass bei sämtlichen Fotografien auf eine detaillierte Zuschreibung zugunsten des einen und der anderen verzichtet wird.

(RP)
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