Serie Denkanstoss Ein Plädoyer für das Altmodische

Mönchengladbach · Pfarrer Klaus Hurtz bricht in seinem Beitrag eine Lanze für die Ansichtskarte aus dem Urlaub. Schon alleine, weil sie geschrieben und nicht getippt wird.

Die Sommerferien winken uns schon kräftig zu, in einer Woche ist der letzte Schultag. Auch wenn wir keine eigenen Kinder (mehr) in der Schule haben, werden wir den Ferienbeginn gleich spüren, denn der Rhythmus der Zeit verändert sich. Betriebe und Praxen sind geschlossen oder arbeiten nur noch mit halber Kraft, die Öffnungszeiten in den Geschäften und Büros verändern sich, in den Vereinen gibt es keine Sitzungen mehr. Ferienzeit ist Reisezeit, das gilt besonders für uns Deutsche, wir schwärmen gerne in die Welt hinaus.

Ob wir nun in der Ferne oder Nähe unseren Urlaub verbringen, natürlich soll die Verbindung zu den Lieben daheim aufrecht erhalten werden. Und die moderne Technik macht es uns leicht; das Foto, das man gerade am Strand gemacht hat, ist nahezu zeitgleich auf dem Handy der Zuhausegebliebenen; auch die Wetternachrichten oder der Bericht über Essen und Hotel sind schnell nach Hause telefoniert. Alles ist bequem und einfach, und in manchen Situationen sind diese kurzen Kommunikationswege ein wahrer Segen. Doch es geht damit auch etwas verloren, was meiner Meinung nach ein wirklicher Verlust für uns alle ist: die gute, alte Ansichtskarte.

Sie auszuwählen und zu kaufen, ist lästig, sie mit dem richtigen Gruß zu versehen mühsam, sie zu frankieren teuer, und ob sie ihr Ziel erreicht, ist manchmal ungewiss. Das alles stimmt, und doch schlägt mein Herz für sie, denn die Ansichtskarte hat auch unersetzliche Vorteile. Welches Motiv passt zu dem Empfänger; wann findet man die Muße, sie zu schreiben; welcher Gedanke sollte mit ihr auf die Reise gehen? Jeder Kartengruß ist aufwändig und kostet Zeit, doch damit zeigt er auch, wie wichtig der Empfänger für den Schreibenden ist.

Natürlich gibt es kitschige Ansichtskarten, bei denen einem der Schrecken in die Glieder fährt, dass es Menschen gibt, die so etwas tatsächlich verschicken. Aber eben auch wunderschöne, die etwas vom Geheimnis der Landschaft, der Stadt oder der Menschen jener Gegend mitteilen.

Und jede Karte will nicht getippt, sondern geschrieben werden. Dabei erfordert das Schreiben das Zusammenspiel von Hirn, Herz und Hand, deshalb spürt man im Geschriebenen auch immer ein Stück der Person selbst; Handgeschriebenes ist immer etwas ganz Persönliches. Hingegen kommt "tippen" von "tupfen", und meint das leichte Berühren; damit ist die Tastatur gemeint, aber mir scheint, dass es auch sehr genau den inneren Vorgang charakterisiert. Ein gesimster Text berührt unser Gemüt eher oberflächlich.

Deswegen will ich gerne eine Lanze für die Ansichtskarte aus dem Urlaub brechen. Denn sie hat noch einen weiteren Vorteil, vielleicht hilft sie, unsere Handschrift wieder mehr einzuüben. Diese ist in unserer Gesellschaft von vielen Seiten bedroht, selbst die Schule ist kein Schutzraum mehr für sie. Und doch ist sie unerlässlich, wenn wir dem Anderen, ob in Freude oder Leid, unser Herz öffnen wollen; ein getippter Liebes- oder Kondolenzbrief ist doch wirklich nicht vorstellbar. Hinzu kommt, dass man Karte oder Brief immer wieder lesen kann, noch nach Jahrzehnten; das Verfallsdatum einer SMS oder Mail reicht selten länger über einen Tag hinaus.

Wenn es ans Kofferpacken geht, sollten wir Füller oder Stift nicht vergessen. Schreiben mag altmodisch erscheinen, ist aber in Wirklichkeit zeitlos, weil es zu uns Menschen gehört und unser Leben bereichert. Und das ist doch der tiefste Grund, warum es Ferien gibt, um wieder neu zu erfahren, wie vielfältig Leben ist, und dass wir letztlich alle überreich Beschenkte sind.

DER AUTOR DES DENKANSTOSSES IST PFARRER VON ST. MARIEN RHEYDT.

(RP)
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